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Bronner

„Aus nachvollziehbaren Gründen“, so stand es in Oscar Bronners Wiener Tageszeitung „Der Standard“ zu lesen, verzichte man auf eine Rezension von dessen Ausstellung im Tresor, dem Projektraum des Kunstforums der Bank Austria. Ich möchte bezweifeln, ob ein solches Beschweigen nachvollziehbar ist. Da stellt sich einer mit seiner künstlerischen Arbeit der Öffentlichkeit, und er darf eine Reaktion erwarten, und sei es in Gestalt einer Besprechung. Das einzig nachvollziehbare daran ist ein Opportunismus, der es dem Chef recht machen will und jetzt nicht weiß, ob es eher ein Lob oder ein Verriss sein soll, mit dem man es dem Chef recht macht. Die mediale Topographie Österreichs, da hilft nur die Flucht in die Hilflosigkeit der Tautologie, ist eben wie sie ist. 1988, in dem Jahr, als der „Standard“ erstmals in Druck ging, hat Oscar Bronner das letzte Mal ausgestellt. Das Vierteljahrhundert seither ist von seiner Zeitung in den letzten Wochen ausgiebig gefeiert worden, und es hat den Herausgeber soweit in Aufruhr gehalten, dass er nicht zur Kunst kam. In seinem schönen einleitenden Essay zum eigenen Katalog erklärt Bronner die bildnerische Arbeit jetzt zu seinem eigentlichen Metier. Dass er Österreichs wichtigster Journalist wurde, wird in deutlicher Koketterie den Umständen zugeschrieben. Gerade stellen sie in München, ich werde darauf zurückkommen, Collagen von Wolfgang Hildesheimer aus, der offenbar genauso nebenbei zum bedeutendsten Schriftstller deutscher Sprache der erweiterten Gegenwart wurde. Auch Hildesheimer hat in späten Jahren zum Eigenen und Eigentlichen zurückgefunden. Bisweilen vollziehen sich Karrieren contre coeur. Oscar Bronner, Ohne Titel, 2012, Tempera auf Leinwand Bronners Bilder verdanken sich dem Informel. Sie sehen gestisch aus und sind übersät mit Spritzern, Flecken, Schlieren, als übte sich einer im Action Painting. Kommt man näher, verdanken sie sich eher dem Modernismus. Die Leinwände sind gänzlich flach, bei allem Agieren zum Teil in Fingermalerei gibt es nichts Schrundiges, Klaffendes, Aufgeworfenes. Die Markierungen auf der Oberfläche muten dann fast perspektivisch an, als folgten sie einer Illusion von Dreidimensionalität, die sich der Theatralik, mit der hier auf Heftigkeit gemacht wird, ganz bewusst ist. Dann verdanken sie sich Cézanne, sind Taches in dessen Sinn und folgen einer Réalisation in dessen Geist. Die Arbeiten tragen das Datum eines Tages als Titel: In ihrer Sprachlichkeit tun sie damit so, als wären sie in wenigen Stunden entstanden; in ihrer Bildlichkeit dementieren sie es. In den Jahren um 1980 hat Bronner in New York gemalt. Es entstanden – einige wenige Beispiele sind in der jetzigen Ausstellung – Blumenbilder und Landschaften, und ein Reflex der damaligen Kunstformen der Natur ist den heutigen Gemälden geblieben. Stets besetzt klumpiges Gebilde die Mitte der Leinwände, es wird umgriffen, überformt, in die Enge getrieben von einer weiteren, ähnlichen Formation, so, als befänden sich zwei Prinzipien in irgendeinem Antagonismus. Das Motiv könnte von einem Blick ins unendlich Winzige erfasst sein, genauso aber könnte es auch aus galaktischer Sicht stammen. Mikromegalisch hat man ein solches Oszillieren der Dimensionen einmal genant, nach Micromégas, dem Riesen in Voltaires gleichnamiger Erzählung, dem wenig bekannten Zeitgenossen von Gulliver. Was indes nicht mikromegalisch funktioniert, ist das Format. Bronners Bilder sind zu klein. Sie gehören größer, und sie gehören weniger dicht gehängt. Sie gehören, mit einem Wort, autonomer. Man möchte sie souveräner. Aber Bronners Spätwerk ist ja noch am Anfang.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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