Werbung
,

John Bock - Im Modder der Summenmutation: Die Soap Opera der Aktionskunst

Google Map sei Dank: aus dem Schleswig - Holsteinischen Irgendwo zwischen Itzehoe und Heide, aber auch nicht weit von Elbmündung und Wacken, wo es einmal im Jahr internationalen Hard Rock auf die friesischen Ohren gibt, genauer gesagt von einem Bauernhof in Gribbohm kommt er her: John Bock . Eine Gegend, die zumindest preiswerte und ruhige Ferienwohnungen garantiert. Den Namen des Künstlers hätte eine Agentur nicht besser ausdenken können. Denn auch John Bock ist gleichsam kontrafriesisch – ein Aktionskünstler mit Hang zum Austüfteln und Installieren bizarrer Bühnen und heftiger Szenarien, in denen er nicht selten zur Hauptrolle und improvisierenden Kamera greift, dies auf der Grundlage verrätselter „trashiger“ Drehbücher, angereichert mit gelegentlich viel Fleisch und frischer Leber. Mittlerweile haben auch die Kasseler documenta und Venedigs Biennale den 1965 geborenen John Bock gesehen, was aber mittlerweile auch nichts mehr heißen muss. Bock studierte, über BWL-Umwege, an der Hamburger Kunstakademie, ist selber seit 2006 Akademieprofessor für Bildhauerei in Karlsruhe, lebt und arbeitet in Berlin. Für den weniger Involvierten – Jonathan Meese und Paul McCarthy darf man wohl als zeitgenössische Brüder im künstlerischen Aktiv-Geiste bezeichnen. Bock’s Grundwasser birgt Dada und Fluxus - und natürlich Beuys, als mysterienhaft aufgeladenen deutschen Aktionskünstler. Und der neue Bonner Bundeskunsthallen-Intendant Rein Wolfs ist denn wohl ein Bruder im fördernden Sinn. Künstler und Ausstellungsmacher sind sich bereits in Rotterdam und Kassel begegnet. Und Rein Wolfs, selber erst seit April im Bonner Amt, setzt immerhin schon jetzt mit John Bock die erste eigene Duftmarke ins in der Regel mittelfristig ausgeplante Programm des Bonner Ausstellungshauses. Bei seinen Honneurs zum Auftakt der Bonner Bock-Schau namens „Im Modder der Summenmution“, sprach Wolfs in Sachen Bock von einem Künstler der „mid-career-generation“, einem „Anführer der Generation nach Kiefer, Lüpertz, Baselitz und Polke“. Keine Frage – eine Art niedere Weihen für John Bock aus Gribbohm. In Verbindung mit im November startenden Ausstellungen zum Epocheneinschnitt „1914“, zur Kulturmetropole Florenz und zur „Villa Romana“ sieht Rein Wolfs fast schon sein favorisiertes Idealgemisch für das neue Gesicht der Bonner Ausstellungshalle des Bundes in der Bundesstadt Bonn. Die quasi Ein-Bock-Veranstaltung versammelt recht weitläufig und bedeutungsvoll aufgeladen Filme, installative Bühnenparzellen und fünf „Lectures“, die live aufgeführt werden sollen. Im Zentrum von „Im Modder der Summenmutation“ steht eine Art Set-Installation, als Drehort für Bocks neueste Produktion, die später als Film in der Ausstellung gezeigt wird – also mit dem Besucher als Zeugen und Betracher der dann fertigen Produktion. Darsteller sollen Vorträge und Filme von Bock in neuer Form wieder aufführen („RE-Vorträge“). Werkschau trifft vor Bonner Ort auf Werkentstehung, das Ganze im klassisch dadaistischen Sinne: Geordnetes nach dem Gesetz des verwirrenden Zufalls. Bock verknäuelt in seinen Bühnen und szenischen Collagen Alltagsfundstücke und verschiedenste Identitäten zu multimedialen Performance-Labyrinthen. So wird etwa eine riesige monströse weiße Stoffpuppe, mitten in einem spießigen Ekel-Alfred-Ambiente, wohl der Drehort „für eine göttliche Soap Opera des deutschen Wesens“, so der Künstler. An anderer Stelle eine verstümmelte nackte Leiche, dann ein Kerker, der Sartres’ Eingeschlossene assoziativ in Bewegung bringen soll oder ein „Märchenraum“ mit einem aufgeschnittenen Volvo: gewalttätige Straßenverkehrswelten als eine unserer Befindlichkeiten, die John Bock universalkünstlerisch attackiert. Ach ja, noch eine später zu erwartende Abschluss-Attacke: ein 900-seitiges Künstlerbuch, das dem Besucher Filmscripts, Zeichnungen und Dokumente John Bocks mitgeben soll auf dem Weg aus dem labyrinthischen Modder der Summenmutation.

Mehr Texte von Roland Groß

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

John Bock - Im Modder der Summenmutation
03.10.2013 - 12.01.2014

Bundeskunsthalle Bonn
53113 Bonn, Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4
Tel: +49 228 9171–200, Fax: +49 228 234154
Email: info@bundeskunsthalle.de
http://www.bundeskunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-Mi 10-21h, Do-So 10-19h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: