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Yves Netzhammer - Alte Verstecke in neuen Räumen: Mit Yves im Bunker

Militärunterstand, Wasserreservoir, Zivilschutzbunker. Das Bedürfnis nach Sicherheit schafft vieler Orts Räume, deren Funktion es ist, im Ausnahmezustand Schutz zu bieten. Meist bleiben diese ungenutzt in der Hoffnung, sie würden, da vorhanden, dennoch nie gebraucht. In dem kleinen Schweizer Örtchen Salenstein – unweit des Bodensees gelegen – ist dies anders. Der für seine computergenerierten Videoinstallationen bekannte und in Zürich lebende Yves Netzhammer zeigt bei The View. Contemporary Art Space seine Ausstellung: „Alte Verstecke in neuen Räumen“. Der Ausstellungstitel ist Programm. Bei der örtlichen Feuerwache beginnt der Abstieg in eine heimliche, wie unheimliche Welt. Bereits von außen locken rote Holzstufen. Auf halber Treppe markiert ein Bodenspiegel eine ästhetische Schwelle. Der Blick hinein verliert sich in Untiefen, durchsetzt von Wollknäulen, Scheren und Messern. Man ahnt Abgründiges. Im Inneren des Zivilschutzbunkers wartet sterile Funktionalität gepaart mit Konstruktionen aus Hasendraht. Ein Raum wird zum Käfig; drinnen läuft neben dem Bunkerbettenlager der Film „Dialogischer Abrieb“ (2011). Ein computeranimiertes Szenario zeigt menschenähnliche Dummies in absurden Situationen. Blind, taub und stumm prallen sie aufeinander, verunglücken wie Lemminge. Mit seinen Versuchsreihen anonymer, ästhetischer Grausamkeiten führt Netzhammer eindrücklich das Scheitern und dessen Transformationen vor. Im nächsten Raum tritt man selbst in einen solchen Parcours ein. Zu flackerndem Stroboskoplicht und bedrohlich sphärischem Sound sind wir zwischen Messgeräten, Schnüren, gesprengten Eimern und zwei Toiletten eingeladen das Dummyhafte in uns selbst zu erkennen. So laufen wir Gefahr selbst zum Lemming zu werden. Draußen wartet bereits der Bus zum Wasserreservoir. Vasen, Steinhäufchen und Handabdrücke in atmosphärischem Licht erinnern an eine Kultstätte und nehmen die im nebenan gezeigten Film, „Vororte des Körpers“ (2012) angedeutete Schatzsuche vorweg. Auch hier bringt Netzhammer seine Dummies in unvorhersehbare Situationen; mal verkehrte Welt, mal quälendes Vexierspiel. Vor dem Militärunterstand, der letzten Station, steht eine Bank am Wegesrand. Irgendwie seltsam entrückt. Ihre Balken sind zu einer dynamischen Skulptur deformiert. Daneben führt ein feucht tropfender Eingang in den Unterstand. Ein antiquierter Nachttisch, eine Glühbirne – Sackgasse. Dann eine Abzweigung. Schließlich ein Lazarett. Ein besticktes Laken zeigt einen Körper, verstümmelt, amputiert. Dahinter folgt mit „Formales Gewissen“ (2013) der dritte Film. Inhaltlich angelehnt an das vorher Gesehene: Messer, Schnitte, Fleisch, Blut. Wieder Papier und Parkbänke. Tritt man hinaus ins Freie steht die entrückte Bank immer noch an ihrem Platz. Doch nach den Erfahrungen im Innern, erscheint sie uns nun in verändertem Licht. Fiktion und Wirklichkeit wirken verzerrt. Netzhammer entführt uns an diesen speziellen Orten mit seinen filmischen Fragmenten und Installationen auf eine mysteriöse Odyssee deren vielfältige Bedeutungen sich nicht ohne Weiteres dechiffrieren lassen. Es bleibt bei Ahnungen und Fragen. Gerade die spielerische Leichtigkeit des Gezeigten verstört jedoch und fordert uns heraus.
Mehr Texte von Thorsten Schneider

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Yves Netzhammer - Alte Verstecke in neuen Räumen
07.07 - 06.10.2013

The View. Contemporary Art Space
8268 Salenstein, Fruthwilerstrasse 14
Tel: +41 71 669 19 93
Email: info@the-view-ch.com
www.the-view.ch.com


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