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Alternative Guide to the Universe: Universen unter uns

Wer kann sich noch an Andreas Schneider erinnern, den UFO-Jungen, aus der Bravo der 1980er Jahre? Regelmäßig erzählte er von Botschaften, die er empfangen haben will und entwickelte sogar gemeinsam mit diesen UFO-Reisenden ein Logo. Nina Hagen, damals ebenfalls in engen Kontakt mit Außerirdischen, widmete ihm ein Lied: Die UFOs Sind Da. Dass diese speziellen Anliegen nicht mit den 1980ern gegessen waren, sondern in der bildenden Kunst, oder „am Rande des Kunstbereiches“, wobei der Begriff „Outsider Art“ positiverweise vermieden wurde, im Gegensatz zur gleichzeitig in London stattgefundenen aber auch sehr beeindruckenden Ausstellung „Souzou Outsider Art from Japan“ weiterhin verarbeitet werden, zeigt unter anderem die Ausstellung: „Alternative Guide to the Universe“ (Hayward Gallery, London11. Juni – 26. August 2013): Paul Laffoley (*1940) und Ionel Talpazan (*1955) beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit dieser Thematik (der UFOs). Gleichwohl es in dieser umfangreichen Ausstellung mannigfaltige Entwürfe von Lebensvorstellungen, -erklärungen zu entdecken gibt, sind es entwickelte Arbeiten die in sich ein Universum darstellen, eine Welt, die sich aufgrund von Obsession und Leidenschaft geschaffen, oft abseits der Kunstwelt als eigene Welt manifestiert und perfektioniert: A.G.Rizzoli (1896–1981), der in einem Architekturbüro in San Francisco arbeitete, zeichnete „privat“ detaillierteste Stadtlandschaften und Gebäude, durch die er ihm wichtige Personen porträtierte, wie seine Mutter, bei der er sein Leben lang wohnte, oder Grace M. Popich, der ersten Besucherin seiner Ausstellung, einem damals sechsjährigem Mädchen, das sich sein Ausstellungsfenster mit seinen Exponaten, die auf den ersten Blick Geldscheinzeichnungen ähnelten, genauer ansah. Das Thema von Architektur/Utopie dominiert in dieser Ausstellung: angefangen von minutiösen Modellen, aus Wegwerfmaterial gebaut (Bodys Isek Kingelez *1948), detaillierten Zeichnungen der neugebauten Stadt Paris (Marcel Storr 1911-1976), sowie den von forever-Happiness geprägten Entwürfen eines neuen San Francisco, „Praise Frisco“ von ihm genannt, William Scott (*1964). Wann etwas nun in den Kanon der Wissenschaft oder Kunst aufgenommen wird, hängt mitunter von Zufällen ab. Ähnlich wie bei Religionen gibt es bei beiden Disziplinen ein Leben nach dem Tod, das auch das Erst Entdeckt Werden miteinschließt. So wie das umfangreiche Werk Morton Bartlets (1909-1992): nur seine engsten Bekannten wussten zu Lebzeiten von seiner lebenslangen Obsession: nach eingehenden Studien der menschlichen Anatomie fertigte er dutzende Kinderpuppen beiderlei Geschlechts an, für die er auch unzählige Bekleidungen nähte und diese dann situativ fotografierte. Mit seinem Oeuvre, das als Nachlass auf einer Messe in New York entdeckt wurde, beeinflusste er unter anderem die Geschwister Jake und Dinos Chapman, Cindy Sherman ist Sammlerin seiner Arbeiten. Die Unterscheidung in Hobby und Kunst sollte somit obsolet sein. Sowie die Frage, ob die Beharrung auf einer künstlerischen Ausbildung nach wie vor als Knotenpunkt zur Authentizität gesehen werden kann und soll. Das Spiel mit Identitäten, Verwandlung, Verkleidung finden wir in dieser Ausstellung auch bei Eugene Von Bruenchenhein (1910–1983) zum Beispiel, der mit seiner Frau glamouröse m und hollywoodiesque Inszenierungen schuf, wie auch die obdachlose Lee Goodie (1908-1994), die sich vornehmlich als impressionistische Malerin sah und ihre Selbstporträts in Fotoautomaten anfertigte. Ab wann ist ein Outsider ein Outsider und was sind die Konsequenzen daraus? Gar nicht wenige der sogenannten Outsider verdienen zum Beispiel mehr im Kunstbetrieb als die meisten Insider; mehrheitlich zynischerweise nach dem Tod, meist diametral entgegengesetzt zur finanziellen Möglichkeiten zu Lebzeiten.
Mehr Texte von Fiona Rukschcio

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Alternative Guide to the Universe
11.06 - 26.08.2013

Hayward Gallery
SE1 8XX London, Belvedere Road
http://www.southbankcentre.co.uk/venues/hayward-gallery
Öffnungszeiten: Mo 12-18, Di, Mi, Sa, So 10-18, Do, Fr 10-20 h


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