Werbung
,

I love New York

Im Sommer 2001 hatte die Zeichen- Video und Performancekünstlerin Carola Dertnig ein Studio im Twin Tower 1 im 91. Stockwerk des World Trade Centers. Währenddessen entstand ein Zeichnungszyklus, in dem die Twin Towers als siamesische Zwillinge zu Hauptakteuren einer fiktiven Story werden, der es nicht an Kapitalismuskritik mangelt. Unmittelbar vor dem Terroranschlag vom 11. September 2001 entfernte Dertnig die Zeichnungen aus dem Atelier. Das Projekt ist nun in seiner ursprünglich geplanten Fassung als Buch erschienen. Die siamesischen Zwillinge mit den Namen Eins und Zwei erhalten durch die Zeichnungen Dertnigs eine Identität, ernähren sich von Bankomaten und kämpfen gegen die schlechten Lebensgewohnheiten, die der Verzehr von Junk Geld verursacht. Dertnig entwickelt in knappen Passagen eine körperliche Erzählsprache. So wird der Abwasserskandal, den der Bau des World Trade Centers auslöste, als ein Versagen des Verdaungsapparates diagnostiziert: \"Kurz nach ihrer Geburt im Jahr 1971 hatten sie Durchfall von saurer Geldmilch. Der Hudson River verwandelte sich damals in einen Abwasserkanal. Dieser Vorfall wurde ein großer Medienskandal. Und dadurch wurden sie berühmt.\" Obwohl durch die absurden Textpassagen gewisse Parallelen zu einem Science Fiction Roman existieren, werden die LeserInnen durch einen subtilen, weiblichen Humor wieder in die Realität zurückgeworfen. Das Buch animiert zum Querlesen und ist durch die Aufgliederung in kurze, slapstickartige Geschichten pointiert gefasst. Chronologische Auszüge geben Aufschlüsse über die strategischen Hintergründe der Entstehungsgeschichte dieses einstigen Erfolgsymbols des westlichen Kapitalismus. In ihrer Fotoserie der Dotcom-Büros macht Dertnig nachvollziehbar, wie das World Trade Center bereits Monate vor dem Anschlag Anzeichen eines inneren Verfalls zeigte. Komplex erfasst sie die Symptome einer schnelllebigen Geschäftswelt und skizziert eine Welt, in welcher der Reproduktion gesellschaftlicher Ordnungen selbst durch Power-Yoga nicht zu entkommen ist. Carola Dertnig, \...but buildings can\t talk\, mit Texten von Carola Dertnig und Rike Frank (deutsch/englisch), Fotos und Zeichnungen von Carola Dertnig, Triton Verlag, Wien 2002, ISBN 3-85486-148-6 office@triton-verlag.com
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: