Rainer Metzger,
Kuttner
Schneit vorige Woche ein Mail herein, in dem der Wiener Künstler Gregor Schmoll Freunden und Bekannten folgendes mitteilt: „ich bin in der regel mit elektronischen einladungen sehr zurueckhaltend, doch moechte ich unbedingt diese ausstellung herausstreichen! manfred kuttner war der vater meines galeristen in berlin, der in den sechziger jahren (anfaenglich gemeinsam mit richter, polke und lueg) ein wirklich sehrsehr beeindruckendes malerisches werk geschaffen hat, das erst jetzt umfassend zu sehen ist!“
Gregor Schmoll ist ein guter Künstler, folge ich also seiner Empfehlung und fahre nach Esslingen,wo in der Villa Merkel Kuttners Werk präsentiert wird. 2007 gab es ein Trio Kuttners mit Thomas Scheibitz und Anselm Reyle in nicht weniger als der Tate Modern. Grund dafür ist nicht zuletzt gewesen, dass Kuttner bei Johann König in Berlin 2005, 2008 und 2010 ausgestellt war - Galerien sind, das weiß man von den einschlägigen Gagosian, Zwirner oder Hauser & Wirth, als Nachlassverwalter bedeutend erfolgreicher als beispielsweise Künstlerwitwen. Franz Erhard Walther unter anderem hat einen Text für den am Ende der Esslinger Schau zu erwartenden Katalog beigesteuert – Walther, der seinerseits eine Renaissance erfährt, als Galionsfigur des Prinzips Embodiment in den Sechzigern und als Lehrer von Kunstbetriebsgrößen wie Bock, Meese oder Sierra.
Kuttner, geboren 1937, studierte zunächst in Dresden, war dort ein guter Freund von Neo Rauchs Vater Hanno, 1960 kam er in den Westen. Gerhard Richter macht es ebenso, man trifft sich in Düsseldorf wieder. Mit Konrad Lueg alias Fischer und Sigmar Polke tut man sich zusammen, am 11. Mai 1963 eröffnet die „Demonstrative Ausstellung“, in deren Kontext zum ersten Mal der Paradebegriff vom „Kapitalistischen Realismus“ fällt. Kuttner gerät bald ins Hintertreffen, Richter meint laut dessen von Dietmar Elger verfasster Biografie, der Kollege sei „ausgebootet worden..., weil seine Malerei nicht mehr zur Arbeit der anderen passte“.
Seine Malerei: Pelikan hat seinerzeit der Palette der Plaka-Farben fluoreszierende Varianten beigegeben, und Kuttner machte daraus sein Markenzeichen. Er überzog Gegenstände - Stuhl, Schreibmaschine, Fahrradsattel - mit dem grinsenden Kolorit und klinkte sich dabei jedenfalls motivisch ein in den damaligen Duchamp-Hype. Dazu bemalte er auch Leinwände, meist mit Kreisen, in denen wiederum etwas grobe Binnenstrukturen in Gestalt geometrischer, op-artig sich wiederholender Formen hausen. „1964“, so heißt es im Waschzettel der Schau bündig, „beendet Manfred Kuttner seine künstlerische Karriere, bevor sie richtig begonnen hat. Er wechselt als Werbegrafiker in die Welt des real existierenden Kapitalismus.“ Ohne das künstlerische Metier wieder in Angriff genommen zu haben, stirbt Kuttner 2007.
Manfred Kuttner vor dem verschollenen Bild "Weibermühle" 1963, Archiv Kuttner
Immerhin ist er jetzt gut einwattiert in die Namen und Nomenklaturen des Betriebs. So steht seiner Wiederentdeckung nichts im Wege. Nachdem die diversen documenten der letzten Zeit vor allem Frauen vor allem aus Übersee vor dem Vergessen retteten, kommen jetzt zunehmend Männer aus den hiesigen Bereichen aufs Tapet. Ferdinand Kriwet wäre da vergleichbar. Und über und hinter allem steht die Tendenz, die Simon Reynolds auf den Punkt brachte: „Retromania“.
www.villa-merkel.de
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