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In Mittelerde nichts Neues

Schon der erste Teil von Peter Jacksons Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Romantrilogie \"Herr der Ringe\" war eine dicht gewebte Bilderorgie aus kunsthistorischen Zitaten: Walter Cranes \"Horses of Neptune\", William Holman Hunts \"Lady of Shalott\", C. D. Friedrichs \"Wanderer über dem Nebelmeer\" oder \"Abtei im Eichenwald\", Bilder von William Turner, Arnold Böcklin u.v.a. Der soeben angelaufene zweite Teil schwelgt in demselben Arsenal. Spannend ist, dass viele der im \"Herrn der Ringe\" zitierten Bilder entweder im 18. Jahrhundert entstanden sind oder ihre Voraussetzungen dort haben. Diese Bezugnahme hat gute Gründe, fällt doch ins 18. Jahrhundert die Entdeckung bzw. Entstehung der umstrittenen Ossian-Dichtung, die wie Tolkiens Romane auf gefundenen Überlieferungen und Legenden basiert. Der \"Ossian\" ist als düstere, mittelalterliche Geschichtsfiktion ein Vorläufer von \"Herr der Ringe\". Auch die \"erhabenen\" und (vor-)romantischen Bilder, die seit der Veröffentlichung des \"Ossian\" (ab 1760) geschaffen wurden, zeigen eine fiktive Vergangenheit. Für Peter Jackson war es sicher einfacher, diese schon vorhandenen Fiktionen auszubeuten, als etwas Neues zu entwickeln, sind sie doch als Teile des kollektiven Gedächtnisses Garanten für Massentauglichkeit. Dass sich das gelohnt hat, verraten die Besucherzahlen: \"Herr der Ringe I\" ist nach nur einem Jahr der fünfterfolgreichste Film aller Zeiten. Künstler wie Stanley Kubrick oder Peter Greenaway haben bewiesen, dass man Bildzitate der traditionellen Malerei ins Medium Film transponieren kann. Peter Jackson verwendet Bildzitate bloß als Versatzstücke. Ihr Leinwandleben bleibt mechanisch und trotz computerunterstützer Bearbeitung flach. Der \"Herr der Ringe\" ist ein animiertes Gemälde. Es unterscheidet sich in seinem Prinzip von den erhabenen Landschaften, Katastrophenszenen und Ossian-Illustrationen des 18. Jahrhunderts hauptsächlich dadurch, dass es bewegt ist. In \"Herr der Ringe\" perpetuiert sich die Ästhetik des Erhabenen: Der Blick in die Düsternis ist lustvoll, aber ungefährlich. Doch Film kann mehr. Hätte Jackson versucht, beim Heraufbeschwören der Bilder zugleich seinem Medium gerecht zu werden, wer weiß, was sich uns auftun würde? Der Herr der Ringe - Die zwei Türme, Neuseeland/USA 2002 Regie: Peter Jackson Autor: Peter Jackson, Philippa Boyens, Stephen Sinclair, Frances Walsh, nach J. R. R. Tolkien warnerbros.de/movies/herrderringe/index_flat.html
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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