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Blow Up

Meine Gedanken zum Tod von Margaret Thatcher rankten sich um den durchaus banalen, aber immer wieder auch erstaunlichen Sachverhalt einer Art Antizipation eines Status Quo durch gewisse kulturelle Erscheinungen. Ende 1966 war es zu Ende mit Swinging London, und darin läge ein ferner Spiegel auf die Jahre der Mrs. Thatcher. Nun zeigen sie gerade im Ferrareser Palazzo Diamanti, immer eine Reise wert, eine Schau zu Werk und Wirkung von Michelangelo Antonioni. Nicht zuletzt der italienische Regisseur hat mit zwei seiner zentralen Werke ausgelotet, wie die Emphase der Sechziger versandete. Bisweilen gilt Antonionis „Blow-Up“ja als das Nonplusultra der Berichterstattung aus dem Swinging London. Im Januar 1967 allerdings, als der Film in die Kinos der Stadt kam, deren Intensität er huldigte, war er bereits ein Schlag ins Wasser. Die Kritik brandete dabei von zwei Seiten her an. Den einen war er nicht schwungvoll genug: Antonioni, der italienische Existenzialist, sei viel zu grüblerisch und rätselhaft vorgegangen, die Geschichte um einen Mord, von dem man nicht wisse, ob er überhaupt stattgefunden habe, und die Reflexion über eine Wahrnehmung, der der Begriff von Realität abhanden gekommen wäre – all das verliere sich im Skrupulösen und Versponnenen. Michelangelo Antonioni, Still aus "Blow Up" © MGM Den anderen war er dagegen zu Swinging. Die erste Idee zu „Blow-Up“ war dem Produzenten Carlo Ponti gekommen, als er einen Artikel über die Terrible Three, die modischen Fotografen des East End, im Mai 1964 in der Sunday Times las. Tatsächlich ist der Held von „Blow-Up“ ziemlich offenbar von David Bailey inspiriert, selbst die zarte Nebenhandlung, die vom Kauf eines Propellers erzählt, stimmt mit Baileys Biografie überein. Veruschka von Lehndorff, die Haupt- und Staatsaktion eines Models, hat einen gespreizten Auftritt, und Jane Birkin, die damals mit John Barry, dem Komponisten des James Bond - Themas, verheiratet war, gibt eine jener „Dolly Birds“ genannten Schönheiten, die in der Hochphase des Schwungs auf die Entdeckung und die Weltkarriere warteten. Schließlich spielen die Yardbirds auf, mit ihren Hymnen auf den Hedonismus eine der signifikantesten Gruppen des Jahres 1966, und während sie „Strollin’ On“ zum Besten geben, fängt ihr Gitarrist Jeff Beck an, sein Instrument am Verstärker zu zertrümmern, als wäre er Pete Townshend von den Who. Die Yardbirds hatten sich derart Drastisches nie geleistet, doch der Regisseur wollte partout eine Aktion, die ihm authentisch für das London dieser Jahre schien. Diese geborgte Authentizität drehte sich um Gewalt. Michelangelo Antonioni, Still aus "Zabriskie Point" © MGM Antonionis Folgeprojekt „Zabriskie Point“, 1969 in den USA realisiert, wartet dann mit einer weitaus drastischeren Vision von Violenz auf: der Sprengung einer Industriellenvilla durch jugendliche Aktivisten, die sich zeitkonform als „Revolutionäre“ verstehen, einer Sprengung, die, weil sie so schön war, in Zeitlupe und mehreren Wiederholungen vorgeführt wird. Das nun wird mehr und mehr das Problem: Gewalt wird eher skandiert als problematisiert, und ihr Einsatz errscheint eher psychiatrisch als politisch. Da hat einer Schwierigkeiten, und als Lösung stellt er sich vor, die Sachen und bald auch die Menschen in den Abgrund zu stoßen; natürlich macht er sodann die Gesellschaft für seine Schwierigkeiten verantwortlich, und narzisstisch gefällt er sich in der Opferrolle. Sollte Gewalt jemals ein Ausweg sein: In den Inszenierungen der späten Sechziger ist sie es auf keinen Fall. Heftig bleibt man befangen im Zwergenaufstand für sich selbst. Dafür werden die Methoden krasser, eine solche Art von Auflehnung zu zeigen. Michelangelo Antonioni ist der Seismograf dieser neuen Ego-Geleitetheit. Müßig anzumerken, dass sie in den 80ern dann ihre Urstände feiert. Antonioni e le arti; bis 9. Juni www.palazzodiamanti.it
Mehr Texte von Rainer Metzger

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