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Franziskus

„Fratelli e sorelle, buona sera“. Es war mehr als ein „Hallo, erst mal“, mit dem sich der neue Papst an die Stadt und den Erdkreis adressierte. „Brüder“ war das allererste Wort von der Altane der Basilika des Heiligen Petrus herunter, von dort, wo gleich in der Nähe der Name „Paulus“ zu lesen ist, weil es Paul V. Borghese war, der einst im 17. Jahrhundert die Fassade in Auftrag gab. Der neue Pontifex nennt sich wiederum Franziskus. Er ist der erste, der sich auf den Ordensgründer bezieht, auf den Poverello, für den alle Menschen Brüder waren, den Anführer der Frati Minores mit ihren auch schon wieder zeitlosen Tugenden der Keuschheit, des Gehorsams und, natürlich, der Armut. Franz von Assisi war so etwas wie eine treibende Kraft der damaligen Zivilisation. Seine Franziskaner waren die ersten Mönche, die in den Städten wohnten, deren Kraft weniger im Gebet als in der Seelsorge lag und die sich unter die Menschen mischten, die sie geradewegs auch brauchten, denn sie wollten und sollten sie anbetteln. Das abendländische Mönchtum unterlag ja seit seiner Gründung einer Art innerweltlicher Askese. Von Max Weber weiß man, dass sich das auf die Ökonomie niederschlägt, und tatsächlich führte das konsequente „Ora et Labora“, dem sich die Orden verschrieben, unweigerlich zur Paradoxie wachsenden Wohlstands. Immer wieder gab es Reformbewegungen – die Cluniazenser zu den Benediktinern, die Zisterzienser zu den Cluniazensern -, um die Automatik des Reichtums zu durchbrechen. Die Franziskaner waren die Radikalsten unter den Reformern. Bonaventura Berlinghieri, Der hl. Franziskus und Szenen aus seinem Leben, 1235 Interessant der Mechanismus, wie Franz und seine Getreuen Teile dieser Radikalität zurücknehmen mussten, als es darum ging, vom Papst als Orden anerkannt zu werden. 1221 gab man sich eine Regel, die von Rom indes verworfen wurde und deswegen „Regula non bullata“ heißt. Die „Regula bullata“, also die akzeptierte, gab es zwei Jahre später, und sie ist bei aller Orthodoxie doch schon ein Kompromiss. Hier einige Unterschiede: Als Kleidung war erlaubt 1221 zweimal Habit (einmal mit, einmal ohne Kapuze), ein Gürtel, eine Unterhose, 1223 kamen Schuhe dazu; 1221 waren Bücher verboten, 1223 erlaubt; 1221 sollte zweimal im Jahr über Monate hinweg gefastet werden, 1223 nur noch einmal; 1221 hatten die Brüder die Pflicht zur Fußwaschung, 1223 gestrichen; 1221 durfte man bei seinen Wanderpredigten weder Beutel noch Tasche, kein Essen und nicht einmal einen Stab bei sich haben, 1223 waren die Verbote gestrichen. 1221 durfte man sich widersetzen, verlangte ein Oberer einen Verstoß gegen die Regeln, 1223 war Gehorsam höchstes Gebot. Die Liste ließe sich verlängern. Noch kein Papst hat sich in der Dezidiertheit des Namens in diese Observanz eingereiht. Die Franziskaner firmieren als Bettelorden. Es gab einen zweiten davon, die Dominikaner, benannt wiederum nach ihrem Gründer, dem Kastilier Dominikus. Die beiden Orden, sagt man, unterscheiden sich entsprechend, wie die Italiener von den Spaniern: Letztere sind stolz, dogmatisch, traditionsbewusst, erstere theatralisch, emotional und ein wenig Nervensägen. Der spanisch sprechende, sich italienischer Programmatik verpflichtende neue Papst wird das Gemeinsame beider forcieren: Das Soziale.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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1 Posting in diesem Forum
Bischof von Rom
mbh | 25.03.2013 06:09 | antworten
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