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Malerei < jenseits > ihres Mediums: Malerei, gefaltet und gefoltert

Dass Malerei sich im Rahmen der technologischen Entwicklung kontinuierlich verbessern kann, ist in der eigentlichen Tradition der Künste tief verankert. Dem Fortschrittsgedanken folgend gewinnt jede Wende – früher oder später – einen positiven Wert, so dass Altes folgerichtig als Überholtes erscheint. So gesehen verwundert es nicht, dass die aktuelle Debatte um das Medienspezifische der Malerei in der zusehends mediatisierten Gesellschaft, sich allmählich auf einer breiteren institutionellen Ebene etabliert. Der Ort dieser internationalen Auseinandersetzung in Österreich ist das generalsanierte Grazer Künstlerhaus, vielversprechend in Halle für Kunst und Medien umbenannt. Die Kuratoren des Hauses Sandro Droschl und Christian Egger setzen in ihrem ersten Parcours Chat Jet, den Bruch mit dem modernistischen Verständnis einer Medienspezifik ungewöhnlich und amüsant fort. Mit dem Untertitel Malerei < jenseits > ihres Mediums zitieren sie den USA-Kritiker David Joselit, der einmal vom „transitiven“ Charakter der Malerei schrieb. Dabei sollte Malerei nicht neu erfunden werden, sondern unter Verwendung unterschiedlicher, häufig abfallartiger Materialien und allerlei Untergründen (durchwegs außerhalb von Keilrahmen), performativer Basteleitechniken und Aneignungspraxen sowie simpler digitaler Verfahren, ohne zum fixierenden Abschluss zu kommen, betrieben werden: Optimal, wie ein Mantra, selbstreflektierend und kontextuell fraternisiert. Diesem letzten Ansatz folgend hat die Künstlergruppe Reena Spaulings aus dem Tischtuch, auf dem eine befreundete Künstlerin beim Eröffnungsfest ihr Dinner gespeist hat, eine ausstellungswürdige Arbeit aus dem Nichts hervorgezaubert. Als weiße Fahne Flag gehisst, in der Ausstellung trägt es als Symbol die Dreckflecken. Manuel Gorkiewiczs mit Farbpigmenten aus Make-up und Hautcremen angefertigte feine Fresken in Form eines Tondos künden bereits an den Außenwänden des Hauses, mehrfach angebracht, von einer gewissen verschwörerischen Übereinstimmung einzelner künstlerischer Positionen. Bei anderen KünstlerInnen wird klassische Leinwand meist durch diverse lose hängende Stoffe, billige Schaumpappen oder groben Karton (Gedi Sibony) ersetzt, denen unterschiedliche verwaschene (Jessica Warboys, Sea Painting) und flüchtige Farbspuren, Meeressand, T-Shirt oder Tuscheflecken und verblüffende Schriftelemente (Reto Pulfer, Die intuitive Antilope) eingeschrieben werden. Die in stiller Vertrautheit dicht aufeinanderfolgende Hängung der vielfältigen Exponate und malerischen Interventionen ist im Gesamtkontext der Ausstellung überhaupt kein Bruch, im Gegenteil, das Interesse an kommunikativen Prozessen und ihnen inhärenten Netzwerken wird somit zum Manifest. Von eben diesen sozialen Beziehungen chatten die drei doppelsinnig-figurativen Bilder Jana Eulers. Die Reihen von Strichmännchen mit unförmig grotesken Flachköpfen, deren Nasen, Augen und Münder verschoben sind, übermitteln anhand eines chiffrierten Codes eine aufrichtige Botschaft der Malerin über ihre Arbeit: „Being the medium is exhausting“. Von der Fertigung der Bilder handeln auch die Werke aus der Serie Michael des Künstlerkollektivs Reena Spaulings aus New York, die performative Aktionen aus der History of Art (hier eines Yves Kleins) nach eigenen Regeln weiterspinnen. Wenn es um Sehen und Sichtbarkeit geht, dürfen auch hilfreiche, moderne Raster nicht fehlen, die hier aus Wasser – und Gasleitungen gebildet werden. In der New Yorker Galerie des Künstlerpaares haben eben diese Rohre noch als Kleiderständer gedient. Michael Krebber, der wohl berühmteste Maler ohne Bilder, lotet seit langem gewitzt die Grenzen der Malerei aus, deren Bestimmtheit er jedes Mal frappant auf den Kopf stellt. In seiner Axxis 278, die ein zersägtes Surfboard am Boden liegend zeigt, unterjocht Krebber die Malerei einer Logik des Ready-made und der warenförmigen Autorenschaft, unweigerlich an die „spezifischen Objekte“ eines amerikanischen Minimalisten erinnernd. Alexander Wolff geht etwas annähernder mit Zerstückelung um, erreicht aber trotz des Großumfangs seiner Wand- und Raumarbeit und handwerklicher Indifferenz nicht die erwartete Kontingenz. Da schlägt David den Goliath, unter Umständen unabsichtlich. Die Fragen nach sozialem Kapital, gesellschaftlichen Rollen der Künstler sowie anderen Teilnehmer der Artworld, unsicherer Identität und sprach- und linguistischen Möglichkeiten überwiegen. Davon handeln die die Art Brut entfernt zitierenden, pechschwarzen rear paintings Monika Baers, angeeignete Sprüche in den Schriftbildern von Stefan Sandner oder die schwarz lackierte mit Blumen aus Glas, Winkeleisen und Schraubhaken bis zum bitteren Ende dekorierte, horizontale, fast 4 Meter lange Arbeit Mad Garland Jutta Koethers. Ihre objekthafte Form-und Ideenbildung hängt indirekt mit ihrer Praxis als Performerin zusammen. Chat Jet inventarisiert eine Endlosschleife solcher Arbeiten (Part 2 über Skulptur sollte folgen), die über den Umweg der erneut recycelten Vermischungen künstlerischer und kunstfremder Verflechtungen unbekannte Aspekte der Malerei jenseits ihres Mediums zu offenbaren versucht. Ob sie die Spezifität dieses alten Mediums tatsächlich verbessert, verschleiert oder zur Unkenntlichkeit foltert, bleibt dahingestellt. Auf jeden Fall deutet sie die Lust auf (auch merkantile) Bewegung und Grenzverschiebung zwischen Kunst und dem Gebrauch des Mediums mit offenem Ausgang an.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Malerei < jenseits > ihres Mediums
07.03 - 05.05.2013

KM– Künstlerhaus Halle für Kunst & Medien
8010 Graz, Burgring 2
Tel: +43 316 740 084
Email: hd@km-k.at
http://www.km-k.at
Öffnungszeiten: Di-So11-17 h


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