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Einladen und eingeladen werden: Korruptionsstrafrecht und Kulturbereich

Ich bin Amtsträger (1). Die MUMOK-Direktorin ist Amtsträgerin. Jeder Akademieassistent, jede MAK-Mitarbeiterin, jeder Belvederekurator und jeder Burgtheaterschauspieler sind Amtsträger. Sie alle verdanken diese Eigenschaft den neuen, verschärften Bestimmungen des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2012. So häufig über die befürchteten Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Einladungspraxis von Sponsoren im Kunstbetrieb berichtet wurde, so selten war davon die Rede, dass seit der Neufassung auch jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin eines von der öffentlichen Hand geführten oder finanzierten Kunstbetriebs – aktiv wie auch passiv – in Situationen geraten könnte, für die die neuen Regelungen anwendbar sein könnten. Das neue Gesetz regelt, dass als »Amtsträger« jeder gilt, der »als Organ oder Bediensteter eines Unternehmens tätig ist, an dem eine oder mehrere inländische oder ausländische Gebietskörperschaften unmittelbar oder mittelbar mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund oder Eigenkapitals beteiligt sind, […] jedenfalls aber jedes Unternehmen, dessen Gebarung der Überprüfung durch den Rechnungshof […] unterliegt«, womit nun etwa neben den Universitätsangehörigen und den ORF-Journalist_innen auch alle Mitarbeiter_innen der Bundesmuseen und der Bundestheater von diesem Begriff umfasst sind. Grob gesprochen verbietet das Gesetz neben der direkten Bestechung auch das Anbieten und die Annahme jedes »ungebührlichen Vorteils« für die »ordnungsgemäße« Vornahme eines Amtsgeschäftes, und das »Anfüttern« ohne konkretes Amtsgeschäft, wobei wohl erläutert werden muss, dass ein »Amtsgeschäft« auch eine Vorlesung, eine Prüfung, die Durchführung einer Ausstellung oder das Verfassen eines Texts sein kann. Für große Teile der Mitarbeiterschaft von Kunstinstitutionen wird die Amtsträger_inneneigenschaft wohl folgenlos bleiben. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand eine Kunstvermittlerin im MUMOK durch das Anbieten eines »ungebührlichen Vorteils« anfüttert, mit der Absicht »ihn/sie dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger zu beeinflussen«. Doch in den höheren Ebenen könnte es durchaus Bedarf geben, die hauseigenen Regularien zu überprüfen, da manche Einladungspraxis im Grenzbereich von Sponsoring und Kontaktpflege – bei strenger Auslegung – sowohl die Geber- wie auch die Nehmerseite in Konflikte bringen könnte. Dies könnte etwa passieren, wenn ein Sammler die Reisekosten eines Museumsmitarbeiters »sponsert«, oder wenn ein Transport- oder Versicherungsunternehmen als Teil seiner »Kontaktpflege« die Kosten für den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung mit zusätzlichem Privatprogramm übernimmt. In allen diesen Fällen müsste jedoch beim Empfänger ein Vorsatz dafür gegeben sein, sich durch die Annahme des Vorteils als Amtsträger beeinflussen zu lassen (etwa den Sammler zu bevorzugen oder die Spedition öfter zu beauftragen). Letztendlich mussten gute Unternehmensrichtlinien die Annahme solcher Geschenke bereits bisher regeln, doch wie sieht der Fall aus, wenn ein Kulturbetrieb selbst versucht durch Großzügigkeit »Amtsträger_innen« anderer Organisationen zu beeinflussen? Stellt nicht letztendlich jede Eröffnungseinladung, jedes Preview-Dinner, jede Führung einen Versuch dar, sich das Wohlwollen seiner Anspruchsgrupen zu sichern und zu erhalten? Müssen die Marketing- und PR-Abteilungen nun alle »Amtsträger_innen« aus ihren Einladungslisten streichen? Als Faustregel gilt dabei, dass jeder Vorteil, der einer größeren Ansammlung zu Gute kommt, auch von den eingeladenen »Amtsträger_innen« angenommen werden kann, was einen weiteren – durchaus sympathischen – Grund dafür darstellt, bei Eröffnungen maßvoll zu sein und den Empfängerkreis der Eingeladenen groß und divers zu halten. Es leuchtet auch ein, dass unter Antikorruptionsgesichtspunkten das Anbieten von ein paar Getränken an viele Personen weniger bedenklich ist, als eine teure Einladung für wenige. Im Übrigen ist es für die Frage, ob ein (versuchtes) Anfüttern vorliegt, unerheblich, ob die Bewirtung aus öffentlichen oder aus privaten Mitteln erfolgt. Ein von einem Sponsor angebotener Freiflug zu einer Biennale wäre daher unter den neuen Bedingungen ein grenzwertiges Angebot für jene, die das Ticket als »Amtsträger« erhalten, obwohl das Gesetz eine Ausnahme vorsieht, wenn der Vorteil »im Rahmen einer Veranstaltung gewährt wird, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht«. Dies wäre wohl für eine mitfliegende Museumsdirektorin zu bejahen, während dies für einen fiktiven ORF-Journalisten aus der Religionsredaktion wohl nicht gelten würde. Allerdings wäre beim Journalisten wieder fraglich, inwieweit der Flug mit dem Vorsatz angenommen würde, sich beinflussen zu lassen, wie generell zu sagen ist, dass der »Beeinflussungsvorsatz« beim Annehmenden wohl immer schwer nachzuweisen sein wird. Deutlich klarer ist der Fall, dass ein derartiger Vorteil für eine »pflichtgemäße« Handlung verlangt wird, wie etwa, wenn ein Rabatt für eine private Bauleistung unter Hinweis auf die gute »amtliche« Zusammenarbeit im Museum (Festival, Theater etc.) gefordert werden würde: Denn in diesem Punkt sind die neuen Regeln eindeutig und unmissverständlich: Wer für die »pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäftes« etwas fordert, ist unabhängig von einer Wertgrenze »dran«. Die Ausnahme für »amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse« ist nicht die einzige Möglichkeit legal jene Vorteile annehmen zu können, die berufliche Tätigkeiten eben hin und wieder mit sich bringen. Der Sportprofessor wird die Rapid-Karten annehmen können und der Kurator eines Bundesmuseums darf zu einem Galerienessen gehen, nicht zuletzt deswegen weil dieses selten die ohnehin großzügige 100-Euro-Wertgrenze erreichen wird, die als Richtschnur für einen akzeptierbaren Gegenwert gilt, solange dieser vom Betreffenden nicht gefordert wird. Wer praktische Hinweise für den Umgang mit den neuen Regeln sucht, findet sie etwa in einer bereits im Herbst erlassenen Richtlinie der Universität für Bodenkultur (2), die schnell auf den Umstand reagiert hat, dass alle ihre Mitarbeiter_innen nunmehr als Amtsträger_innen gelten. Die BOKU hat im Dezember eine Antikorruptionsrichtlinie erlassen, die zu Einladungen unter anderem folgendes normiert: »Einladungen zu Veranstaltungen mit überwiegendem Freizeitcharakter sind nicht anzunehmen. Die Einladung ist zu dokumentieren. Besondere Vorsicht und Sorgfalt ist bei Einladungen zu Kultur-, Gesellschafts-, Sport-, Wellness- und Veranstaltungen mit Urlaubscharakter sowie bei Essenseinladungen, aber auch bei Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen angebracht.« Nützliche Beispiele enthält auch eine Fibel des Bundesminsteriums für Justiz, die neben vielen anderen Beispielen auch den hübschen Fall bereithält, dass ein hobbymalender »Amtsträger« bei einer Vernissage seine Bilder an dienstliche Geschäftspartner_innen verkauft, was übrigens scheinbar keine Korruption darstellt, wenn die Bilder nicht zu überhöhten Preisen verkauft werden. Zur häufig diskutierten Meinung, dass großzügige Einladungen gegenüber öffentlichen Personen notwendig wären, um diese für die Arbeit von bestimmten Organisationen zu sensibilisieren enthält die Fibel einen wunderbar zitierbaren Satz, der es verdient hat, hier als Schlusswort zu stehen: »Sensibilisierung der Öffentlichkeit und deren Vertreter ist zweifelsohne notwendig, aber aus strafrechtlicher Sicht muss diese ohne die Gewährung von Vorteilen erfolgen.« ... (1) Unter anderem als Mitglied des Aufsichtsrates der Kunsthalle Wien GmbH (2) Zum Download hier (3) Zum Download hier
Mehr Texte von Martin Fritz

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