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Diplomatisiert und austauschbar

Brüllt der Löwe wieder? Tut sich etwas auf den schon schwer historisch patinierten Schienen, auf denen die Biennale di Venezia dahin bummelt? Die massenhaft auftauchenden Zweijahresshows, die global und teils innovativ Konkurrenzdruck erzeugen, spiegeln überdeutlich ein Unbehagen an der antiquiert wirkenden Veranstaltung. Wird jetzt etwa Neuland befahren, wenn die Außenvertretungen von Frankreich und Deutschland anregen, die Pavillons zu tauschen? Die Kuratorinnen Christine Macel (Paris) und Susanne Gaensheimer (Frankfurt) haben den Deal jedenfalls unisono mit den Künstlern abgenickt, ihr Wohlwollen kundgetan und dann begründet, warum das sogar nett werden wird. Unter anderem fühlen sich alle Beteiligten der europäischen Idee verpflichtet. Von Durchlässigkeit nationaler Grenzen wird gesprochen, vom "Dialog zwischen kulturellen Sphären". Gemeinsam durchs globalisierte Netzwerk von Freunden und immer schön zu Gast? Nein, hier ereignet sich leider ein kunstmarktkalkulierter Wechsel ohne Spannung und Risiko. Das beginnt und endet mit den Auserkorenen: Macel promoviert Anri Sala, Hauser-Wirth- und Documenta-Star. Gaensheimer verschickt mit Ai Weiwei, Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh eine dem Premiumsegment entstammende Melange aus Doku-Bonuspartnern und Vorzeigerevoluzzern – da brennt nichts an, da geht nichts schief. Und welchem Impuls verdankt es sich eigentlich, die Begründung für die Aktion aus einem Gemeinplatz abzuleiten. Sprich: Muss man im Biennale-Kontext wirklich noch konstatieren und räumlich manifestieren, dass im Kunstsystem "heutzutage internationale Kooperation und Kommunikation eine Selbstverständlichkeit geworden sind"? Und derlei Flachheiten auch noch in diese Bananenform pressen? Denkt man Arges, wenn man einen Rückzug kuratorischer Autorität hinter eine fragwürdige Gutwetterpolitik auf Ministerialebene für simple Eintrachtsgemüter mutmaßt? Der gegenwärtig desolate Zustand der EU reanimiert alte Bindungsvorlieben, und einen konkreten Grund gibt's überdies: Im kommenden Juli endet das Deutsch-Französische Jahr, mit dem der 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags gefeiert wird, die Grundlage der gegenseitigen Bevorzugung beider Länder. Das zeigt sich überdeutlich: Es ist kein eigentlicher Spur- geschweige denn Systemwechsel an diesem Tausch. Dabei ist der Einfall nicht ganz abwegig. Eine erste Voraussetzung ist erfüllt. Nationenpavillons müssen und sollen keine "Blutreinheit" vortäuschen. Das belegen dankenswerter Weise einmal mehr Gaensheimers und Macels jeweilige Auswahlen. Wichtig angesichts der missglückten Kritik des deutschen Berufsverbands Bildender Künstler (BBK), der gestrige Banalitäten nach Bekanntgabe der Teilnehmer in die Öffentlichkeit gepumpt hatte. Ein Zugeständnis auf formaler Ebene an die Folgen der Globalisierung reicht allerdings hinten und vorne nicht. Es geht um Kunst nicht um ihre Indienstnahme oder staatliches Appeasement: von Diplomaten auf dem Rücken der Sache ausgetragen. Und es gibt letztlich nur ein einziges Kriterium und Argument, das eine derartige Aktion tragbar machen könnte: Wenn sich der Tausch durch Reflexion in einer stringenten, künstlerischen Haltung in Form ästhetischer Notwendigkeit manifestiert – geschenkt. Alles andere offenbart peinlicherweise Fremdbestimmung und Beliebigkeit.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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