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Ein Kritiker, der keine Gefangenen machte - Zum Tod von Robert Hughes

"The Shock of the New" war eine TV-Serie in acht Teilen über die Moderne Kunst, die 1980 ausgestrahlt wurde. Und sie machte Furore. Das Meisterstück sahen in den ersten Sendungen von BBC und PBS 25 Millionen Zuschauer. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihr Schöpfer, der nichts war, wenn er nicht lästern durfte – so der leicht abgewandelte Titel einer Sammlung von Kritiken, die 1993 in Deutschland erschien – im Olymp der Kunstkritiker angekommen. Liest man die Texte von Robert Hughes, wirken sie wie aus der Zeit gefallen. Die New York Times beschreibt Hughes als einen Autor, dessen Methode es "entschieden nicht war, Gefangene zu machen". Kostprobe gefällig? Über Alex Katz schreibt Hughes 1986: "Das Problem liegt nicht darin …, dass Katz 'immer wieder dasselbe malt'... Es liegt daran, dass Katz ein schlechter Zeichner ist." Über Jean-Michel Basquiat schrieb er ein bitterböses "Requiem für ein Federgewicht", das besser ordentlich zeichnen gelernt hätte. "Toxische Unsitten" wie Novitätenobsession, Kritik als Promotion oder Kunst als Geldanlage habe seine Karriere angesprochen. "Dieses ganze klebrige Zeugs wickelte sich um Basquiats kümmerliches Talent." Bumm, Sätze wie Granaten, die konnte Hughes ohne Zweifel. Robert Hughes hatte mehr als nur ein Talent. Er galt als ausgezeichneter Koch, als Fischer und Jäger und wird als ein Mann beschrieben, der lieber auf ein Motorrad stieg, als dass er am Schreibtisch in die Maschine hackte. Hughes, der am 28. Juli 1938 als Spross einer erfolgreichen Anwaltfamilie geboren wurde, studierte in Sydney Kunst und Architektur. Begonnen hat er mit der Malerei. Mit dem Schreiben verdiente er sich nur ein Zubrot. In dieser frühen Zeit machte er vor allem sein Geld mit Karikaturen. Dann verließ er Australien, lebte in Italien und London, wo er zu einer wahrgenommenen Stimme im publizistischen Betrieb avancierte. Er prägte in den Sixties eine Art Konservativismus, ohne jedoch auf gegenkulturelles Verhalten zu verzichten. So glaubte er, es sei ein C.I.A.-Trick, dass das Time Magazine ihn engagieren wolle. Er selbst führte diese Paranoia auf seinen damaligen Drogenkonsum zurück. Robert Hughes war dann über 30 Jahre lang Chefkritiker bei dem weltberühmten Blatt. Seine Liebe galt Francisco Goya. Alten Meistern überhaupt. Und er pochte auf die Bedeutung klassischer Gattungen wie Malerei oder Plastik. Andy Warhol lehnte er zwar nicht grundsätzlich ab, doch immerhin machte er ihn für die eine oder andere Misere in der Kunst der Zeit verantwortlich. Der Kunsthistoriker Julian Stallabrass geht so weit, zu behaupten, Hughes habe zusammen mit Peter Schjeldahl, einem weiteren New Yorker Großkritiker, politischen Werken der neunziger Jahre konzertiert das Siegel der Kunst abgesprochen. Der gebürtige Australier, der wie Schjeldahl auch dichtete, erlitt 1999 einen fatalen Verkehrsunfall in seiner Heimat, von dem er sich nicht mehr so recht erholte. Seitdem konnte er ohne Krücke nicht mehr gehen. Am Montag starb er 74-jährig nach langer Krankheit.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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