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Cecily Brown: Unendliche Geschichte, glückliches Beginnen

Gabriele Werner schreibt in „Art and Now“, einer 2010 in der Edition Angewandte herausgegebenen Essaysammlung über die Zukunft künstlerischer Produktivitätsstrategien: “Man findet Formen ohne legitime propositionelle Struktur; man findet Formen dort, wo man keine ikonische Abgeschlossenheit erkennen kann; man findet mehr Formen, als man bildliches Tun isolieren kann.“ So ein Satz kann beunruhigend gefunden werden – würde der zeitgenössische Automobilwahnsinn sich nicht an die gesetzliche Form der Verkehrsführung halten, wären wohl Massaker auf Asphalt fix die Folge. Aber so ein Satz kann auch wirken wie ein artenreicher, unerschlossener Dschungel, in dem man Erfahrungen macht, die das eigene Vorstellungsvermögen sprengen und mithin eine Freiheit im Lernen ermöglicht, ohne die wir mutmaßlich noch immer in den Höhlen grunzen würden. Die Malerei von Cecily Brown bedient keinen Kanon gängiger Formen wie naturalistisch oder abstrakt. Stellt man sich Bilder von de Kooning oder Kirkeby neben den derzeit in einer schönen Ausstellung im Museum Essl gezeigten Werke der britischen Künstlerin vor, wird jedem die Unverwechselbarkeit dieser malerisch opulenten und formdramatisch wilden Malerei eingängig sein. In mehrheitlich großen Leinwänden offenbaren sich zwar jeweils klar abgestimmte Farbklänge, der Bildraum ähnelt allerdings eher einem farbfreudigen All-over als der perspektivischen Deklination zwischen Horizontalen und Vertikalen. Die einzigen rechten Winkel sind die der Keilrahmen. Zwar kann man bei drei Paradies-Studien Tiergesichter und –leiber und sogar eine in kokettem Kontrapost verharrende Eva und einen komisch wuselig gebückten Adam erkennen, aber insbesondere die neuesten Arbeiten, große Monotypien mit Tierköpfen, machen deutlich, daß Cecily Brown ihr Sujet nicht in einer verbal definierbaren Narration verfolgt, sondern dass es sich um eine spezielle Verschränkung von Silhouette und Umraum handelt, innerhalb derer Körperlichkeit entgrenzt wird, verschleiert oder verteilt wie die flirrenden Augen der „Mean eyed cat“. Sich visuell innerhalb eines Bildes von Brown zu orientieren führt zu der Suche nach dem Drall des jeweils angewandten Duktus, die Gebärde, die der Farbquirl zusammen mit dem nachbarlichen, verwandten oder kontrastierenden, unterlagert oder aufgesetzten nächsten Pinselschlenker hervorbringt. Natürlich verlocken die Titel, so zum Beispiel „Blonde eating bird“, dazu, eben jene Blondine, die den Vogel isst, im Bild zu suchen. Aber gerade bei diesem Bild fällt das allgemeine Dschungelgefühl der Brownschen Malerei auf, ihre Vieläugigkeit. Schließlich sind auch Tiger streifenweise blond, wenn man sie offen genug betrachtet, und „Vogel“ eine Wortform für ein lockeres Wesen, das den Aufenthalt in mehreren Elementen flügelfein kann. Cecily Brown beherrscht eine Malerei, deren Form darauf verweist, dass die Malerei eine lange, ruhmreiche Geschichte hat und haben wird.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Cecily Brown
20.06 - 07.10.2012

Essl Museum
3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1
Tel: +43-2243-370 50 150
http://www.essl.museum
Öffnungszeiten: geschlossen


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