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Polly Apfelbaum: Kein-Bild-Malerei

Man hat von Leuten gehört, die Ausstellungen besuchen, weil der Name des Künstlers sie anspricht, obwohl sie die Person nicht kennen – so wie andere Anzüge von Armani oder Louis-Vuitton-Taschen tragen, weil es gut klingt. Keine Illusionen darüber, wie verführerisch Buchstabenschlangen sind! Dem widerstrebend, könnte man versuchen, die Ausstellung „Planiverse“ von Polly Apfelbaum zunächst aufzufassen, als handele es sich um „Flach am Rücken der Welt“ von Oliver Hasenschaum. Das sollte ertüchtigen, die Arbeiten nüchtern und reell aufgeklärt, aber empfänglich genug für wahre Kunst zu betrachten. Im Projektraum Login in der Grünangergasse sieht man fünf Papierstreifen, die ihrerseits mit verschiedenfarbigen Streifen in dezent verschiedenen Formationen bemalt sind, von der Wand hängen und einen Sockel mit weiß-einfarbig gemusterten Kacheln. Im ersten Raum der Galerie sind sechs Tischplatten auf Böcken, auf denen locker angeordnet farbige Plastillin-Kacheln und Pigmenthäufchen auf verschiedenfarbigen Papieren liegen. An der Längswand hängen knapp anderthalb Dutzend Papiere in drei Reihen, die ins Quadrat gehend ebenfalls mit Streifen bemalt sind und nicht so feurig bunt leuchten wie die Akkumulationen auf den Behelfstischen. Befreiend könnte wirken, dass es hier weniger um die Rettung der Welt geht und mehr um ein Vergnügen an Komplementärkontrasten, Farb-an-sich-Kontrasten, Hell-Dunkel-Kontrasten, Verschmierungen, Proportionen, Arrangement, Kommensurabilität etc. Aber so viel Präsentation von glücklicher Knetkreativität kann auch aggressiv affizieren – schließlich ist Plastillin ein Werkstoff, mit dem viele schon mal was zu tun hatten, als sie noch in den Kindergarten gingen. Macht es wirklich aggressiv, dass man so lange schon nicht mehr damit gespielt hat? Im Pressetext wird Leo Steinberg erwähnt, dessen Aufsatz „The Flatbed Picture Plane“ Robert Rauschenbergs Bildgebungen als Visualisierungen von Prozessen, in denen Material auf der ebenen Fläche zusammengetragen wird, beschreibt und deren Innovation. Die besteht darin, dass, wer Häufchen baut, hoffen kann, das perspektivische Verständnis des aufrecht stehenden Menschen zu unterlaufen. Das hat zwar der Kubismus auch versucht, aber seitdem ist mit dem Tafelbild so viel unternommen worden, dass es nicht mal mehr ausgestellt werden muss, um da zu sein. Alle präsentierten Arbeiten sind farbig oder farbig gemacht; im nächsten Raum liegen zwei Streifen mit Übergängen von Braun nach Lila oder Pink und zurück auf dem Boden, und im Kabinett hängen palettenförmige Tonplatten an der Wand, die glasiert ebenfalls farbig gefasst sind. Von den sechs Wulstgipsen auf zwei Sockeln ist einer so enorm dottergelb, dass die übrigen gipsweiß gelassenen blass wirken. Dass diese Kunst wie materiell verlagerte, abstrakte Malerei aussieht, schadet ihr nicht. Und sehr wahrscheinlich darf geglaubt werden, dass, wer aufrecht in die Galerie gegangen ist, die Ausstellung auch aufrecht gehend wieder verlassen kann. Wer nicht anfängt, über das Bild nachzudenken, das gemalt zu werden vor lauter Plastillin versäumt wurde, darf sich nicht gekränkt fühlen.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Polly Apfelbaum
30.03 - 19.05.2012

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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