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Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube: Keine Kunst ohne Kopie

Kaum ein Thema spaltet die Intelligenzija nachhaltiger, als die Frage nach dem Wesen und Unwesen der Kopie und des Kopierens in Zeiten des Internet. Man hört von Filmern, Literaten und Musikern, die um ihre Pfründe bangen. Bildende Künstler sind in dieser verzerrenden Schlacht in der Unterzahl. Indes spiegelt sich in der Geschichte von Malerei, Plastik, Grafik etc. geradezu beispielhaft, wie die Kopie unsere visuelle Kultur von Beginn an geprägt und bereichert hat. Es ist das Verdienst einer hervorragend strukturierten und aufbereiteten Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, den aktuell einseitigen Blick zu korrigieren. Eingängig, aufregend und historisch fundiert bietet die Schau Gelegenheit, den Horizont mit Blick auf das anregende Erbe künstlerischen Kopierens anhand von 120 Werken aus dem Spätmittelalter bis heute zu erweitern. "Déjà-vu. Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube" grenzt hierbei schöpferische Aneignungsverfahren von den Machenschaften der ach so bösen "Raubkopierer" ab. Die Ausstellung hebt an mit einer Fotoarbeit von Claudia Angelmaier. Das zwei Meter breite Tableau "Das große Rasenstück, 2004/2008" zeigt Albrecht Dürers ikonenhaftes Aquarell auf ganz besondere Weise. Die 1972 geborene Künstlerin hat sich ein Dutzend Kunstbücher, in denen das legendäre Blatt abgedruckt ist, vorgeknöpft und diese zu einer kleinen Schausammlung in zwei Reihen zu sechs Buchdoppelseiten arrangiert und abgelichtet. Deutlich sichtbare Unterschiede weisen auf die Unmöglichkeit, das Original zu ersetzen. A propos Dürer. Das Werk des fränkischen Superstars der deutschen Renaissance durchzieht beinahe die gesamte Ausstellung. Nicht ohne Grund, denn er markiert die neuzeitliche Auffassung eines Originalitätsbegriffs, der merkantile Faktoren und die Genese des Künstlersubjekts als impliziert und zum Vorschein bringt. Im Mittelalter sah das ganz anders aus. Kopien firmierten zu dieser Zeit als Garanten für stimmige Ikonografien und gewährleisteten ästhetische Orientierung. Die Kopie war die Regel. Dürers Papierarbeiten als Schnitzwerk, Glasmalerei oder schlicht in der druckgrafischen Reproduktion mehrerer Stecher im direkten Vergleich beobachten zu können, mag nach übertriebener Pädagogik klingen. Jedoch ist die Argumentation der Ausstellung und die historische Aufarbeitung des Begriffswandels zwingend und den Werken direkt anzusehen. Endlich einmal eine Schau, die nicht nur plausibel und deutlich ihre Inhalte in den Ausstellungsräumen organisiert, sondern auch einen umfassenden Beitrag zur bislang nur partiell geschriebenen Kunstgeschichte des Kopierens offeriert. Im späten 20. Jahrhundert mutiert die Kopie zum künstlerischen Prinzip. In den Jahren der Appropriation Art, die konzeptuell zur Schleifung der Bastion namens Genie aufrief, entwickelten Künstler die Entgrenzung des Bildes bei Entwertung materieller Faktoren wie Leinwand, Farbe oder Form. Elaine Sturtevant, beispielhafte Protagonistin für diesen Modus der Aneignung, sagte einmal: "Es ist eine Kunst, welche die Verführung der Oberfläche wiederholt und im Prozess der Wiederholung auflöst, um dem wirklich Wichtigen Platz zu machen, dem Denken." Damit ist die Geschichte längst nicht zu ende. Klaus Mosettigs Bleistiftzeichnungen des Action-Paintings "Lavender Mist“ von Jackson Pollock sind mehr als nur akribische Nachahmungen. Sie verlagern den Blick auf Prozessualität und Zeit. Dass auf YouTube oder Flickr künstlerische Laien etwa Cindy Sherman imitieren, rückt nach der Faszination an der Geschichte der Kopie wieder den Alltag in den Blick.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube
21.04 - 05.08.2012

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
76133 Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2-6
Tel: +49 721 926 33 59, Fax: +49 721 926 67 88
Email: info@kunsthalle-karlsruhe.de
http://www.kunsthalle-karlsruhe.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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