Werbung
,

Mushrooming : Die Natur der Dinge

Fotografien, die nach der Veränderbarkeit von Beziehungen im künstlich gestalteten Raum fragen sind derzeit in der Fotogalerie Wien im WUK zu sehen. Catharina Freuis zeigt an Hand einer Serie von vier mittelformatigen schwarz-weiß Fotografien – „Galerie-Raum, 2010“ – inszenierte Fotografie. Freuis hat kleine Modelle eines Galerieraums gebaut, in dem waagrechte und senkrechte Streben dominieren, weiße Räume mit vereinzelten schwarz akzentuierten Möbeln. Bild für Bild verändert sich der Raum: Vom Mittelpfeiler aus beginnt die Decke amorph zu wuchern. Die Überwucherung dehnt sich Richtung Fenster aus und wabert in der linken Bildhälfte weiter. Im letzten Bild hat die Masse den Raum bereits verschlungen. Sichtbar bleibt nur eine Öffnung in das Weiß des Raumes. Eine Art Implosion hat stattgefunden. Der Künstlerin war es ein Anliegen die Verformung eines Raumes von innen her darzustellen. „Der Raum wird zu Haut und Höhle gleichermaßen“. (Catharina Freuis) Um das überwuchernde Element und die vernetzenden Kräfte in den ausgestellten Arbeiten benennen zu können, haben die KuratorInnen die Ausstellung „Mushrooming“ genannt. Sicherlich ist dies ein Charakteristika aller gezeigten Arbeiten, doch da die philosophische Rhizom-Debatte bereits Ende der 90er Jahre geführt wurde, wäre vielleicht ein anderer Titel stimmiger gewesen. Mit dem Raum und seinen Schichten setzt Elisabeth Czihak in ihrer Arbeit auseinander. Es sind oftmals auch gestaltete Oberflächen die die Künstlerin Schritt für Schritt freilegt. Czihak zeigt Fotografien aus dem Jahr 2010, die den Titel, „Otto S.“ tragen. Es sind Ansichten von leeren Räumen einer abgewohnten Altbauwohnung. Da lösen sich Tapeten von den Wänden, darunter kommen andere zum Vorschein. Ein alter zurück gelassener Herd steht in der Küche. Czihak begeht diese Räume mit ihrer Kamera und lässt mit Hilfe des Bildausschnitts doch uns den Vortritt. Otto S., der langjährige Mieter der Wohnung, musste ins Altersheim. Zurück blieb ein rudimentäres und vergängliches Bild seines Lebens. Elisabeth Czihak ist auch als profunde Zeichnerin bekannt. So bekommen wir in einer Ansicht, Fotos eines aufgelassenen Industrieraums zu sehen, an dessen Wand Czihak Bleistiftkringel, kleinen Lebewesen gleich, über eine Wand huschen lässt. An dieser Fotografie der veränderten Industriewand hängt die Künstlerin ein Foto aus der Wohnung von Otto S. Die abrutschende Tapete grenzt nun an Zeichnungen auf einer Betonwand. Massivere, fast schon skulpturale Interventionen im Raum schafft Michael Strasser. Während eines Stipendiums in New York plante das Unterrichtministerium seine Stipendiatenwohnung zu renovieren. Strasser fragte an, ob er die Holzpaneele des Parkettbodens verarbeiten durfte und so entstanden nach Zustimmung des Ministeriums liegende Holzstapel auf seinem Bett und bis an die Decke reichende Säulen. Wie sehr hier die Einsetzung seiner Objekte die Beziehung seiner Benutzer veränderte, ist allein daran abzulesen, dass Strasser während der Bauarbeiten genehmigt wurde, in dieser Wohnung zu bleiben und in New York seinem Stipendium nachzugehen. Ähnliches wiederholte sich bei seinem Stipendium in England. Auch dort wurde renoviert und Strasser schuf mit Hilfe des Teppichs seine künstlerische Intervention. Man könnte fast sagen, Strasser setzte im realen Raum das um, was Freuis in ihren Modellboxen inszenierte. Beide fotografieren es letztendlich. Zuletzt sei hier auf den vierten Künstler, Markus Guschelbauer, verwiesen. Seine Arbeiten beschäftigen sich nicht mit Innenräumen, sondern mit der Natur. Sie stellen die ewige Frage, ob Natur bezwingbar ist und ob man eine „Künstlichkeit“ der „Natürlichkeit“ entgegen setzen kann und will. Guschelbauer macht Aufnahmen von sonnendurchfluteten grünen Wäldern. Zur Irritation lässt er Plastikbahnen teilweise über den Bildausschnitt fließen. Manchmal sind sie als solche gar nicht erkennbar, sondern nur Sehbarrieren. Bei anderen Bildern spannt er eine komplette Folie über die Linse und das Waldstück ist nur durch die Plane zu betrachten. Die Fotografien wirken verwischt, die Malerei des Impressionismus scheint nicht weit weg zu sein, auch erinnern sie an Farbaufnahmen von Axel Hütte. Guschelbauers Zugang zu räumlichen Fragen ist ein anderer als der seiner Kollegen. Natur zu formen und zu abstrahieren ist sein zentraler Wunsch, dabei entstehen sehr ästhetische Lösungen.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Mushrooming
06 - 31.03.2012

Fotogalerie Wien
1090 Wien, Währingerstrasse 59
Tel: +43 1 40 85 462, Fax: +43 1 40 30 478
Email: fotogalerie-wien@wuk.at
http://www.fotogalerie-wien.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19, Sa 10-14 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: