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Claes Oldenburg - The Sixties: Der Wohlstand, dein Schoßhund

Das Ding als Ware ist der Fetisch des Konsums. Konsum darf als Motor des Kapitalismus gelten. Weil wir Hamburger essen, werden serienweise Rinderherden gehalten, deren Abgase unser Wohlbehagen bald enorm zu gefährden versprechen. Der Kapitalismus hat uns Serienessen geschenkt und Serienwind wie aus dem Ventilator an der Steckdose, und Serienunterwäsche an schönen Serienmädchen. Claes Oldenburg hat sehr viele Stillleben gebaut aus Pappen und Leinwänden und Füllmaterialien, manche davon sind bemalt. In der hervorragend großen Ausstellung im Mumok werden sein Werk und „The Sixties“ beleuchtet. Die vielen Leute, die während „The Sixties“ jung waren, sind heute Senioren. Das industrienationale Wirtschaftswunder wuchs in ihrer Jugend schnurrend. Claes Oldenburg baute Dinge nach, die damals serienmäßig verkauft zu Alltagsgegenständen einer heute global vertretenen Klasse wurden. Wer hat heute noch eine Kindheit ohne Strom und fließend Wasser verbracht, ohne Mc Donald´s und Burger King und Pillen aus Plastikdosen? Claes Oldenburg baute Frittenbeutel mit auskippenden Fritten, matschig-weich konturierte Eiswaffeln, amerikanische Fahnen aus Stuhlbeinen, Steckdosen und Stecker und Rührgeräte und Wasserbecken und Wasserhähne und Abflussrohre aus Kissen, schön groß, und zunehmend schlaffer, lässiger, tropflustiger arrangiert. Er baute den Dingen, die er baute, die Rechtwinkligkeit weg und die Starre. Der Gullivereffekt durch die Überdimensionierung tritt in Kontrast zur Erschlaffung vormaliger Aufgeblasenheit – die Oldenburgschen Dinge wirken auf pompöse Art müde, schlappohrig, angeschleckt und vielleicht tollpatschig – sie hängen schlaff in den Seilen. Sie sehen unschuldig bis verlegen aus – ihr Generalcharakter ließe sich mit Goofy verkörpern. Oldenburgs goofysierte Dinge sind intakt und deformiert und abnormiert und deindustrialisiert. Ein Objekt wie ein Lichtschalter kann damit eine zenbuddhistische Aura entfalten, ohne seinen stereophallischen Gehalt verleugnen zu müssen. Das fühlt sich reell bittersüss an und erinnert eher an surrealistisch zerlaufende Uhren als an popindustriellen Glamour. Zwei Assemblagen-in-begehbaren-Objekten im 3. Stock, Mouse Museum und Ray Gun Wing, fungieren als verstörende Massenansammlungen zunehmend älter werdender Dinge. Kommentarlos angeordnet präsentieren sie sich. Das Prinzip dazu scheint einerseits formal monoton, andererseits überwältigend variabel. Körperlich beengend und schwarz ausgekleidet weist das Licht in den schweigend gestopften Vitrinen komisch kurvige Wege. Natürlich sind wir gewöhnt, in Museen und Kaufhäusern und Wohnungen nichts anderes zu sehen als Stillleben und noch mehr Stillleben von Bildern, Dingen und größeren Dingen, aber Oldenburgs kompressierte Museumsanlagen fokussiert die infinitiven Pünktchen hinter den Dingen… mächtig. Die Bewerkstelligung einer Perspektive auf Konsum als Inkulturationsgeste von zweideutigem Charakter ist ein Verdienst der Kunst von Claes Oldenburg, und es ist schön, sie zu sehen.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Claes Oldenburg - The Sixties
04.02 - 28.05.2012

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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