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Kerry James Marshall - Who's Afraid of Red, Black and Green: Gratmaß zwischen Minderheit und Elite

Auf dem hellrosa gefärbten Dielenboden eines Schönheitssalons mit grünen Wänden (School of Beauty, School of Culture, Acryl auf Leinwand, 274x 401cm, 2012) spielen zwei Kleinkinder, zwischen denen eine verzerrte Gestalt wie eine kratzige Seifenblase fliegt – das Gesicht einer blonden, hellhäutigen Cinderella. Sie wirkt als Emblem für eine in diesem Raum absolute Minderheit, denn alle Menschen, die Kerry James Marshall malt, sind dunkelhäutig, also auch die beiden Kinder und Frauen, die sich in dem Schönheitssalon aufhalten. In seiner ersten Ausstellung in Österreich zeigt der Maler 16 Bilder, deren drei größte (jeweils 244 x 544cm, Acryl auf Leinwand) miteinander den Ausstellungstitel „Who is Afraid of Red, Black and Green?“ aufgreifen. Die Fragestellung, wer vor welchen Farben Angst hat, wurde von Barnett Newman erfunden. Kerry James Marshall erfindet, dem minimalistischen Stil über das Prestige der reinen Farbe noch ein politisches Surplus einschreiben zu wollen: Rot, Schwarz und Grün sind die Farben der panafrikanischen Flagge. Die Frage nach der Angst im Titel der Ausstellung bedeutet, den BesucherInnen zuzutrauen, diese Angst beim Besuch der Ausstellung auch zu empfinden. Welche Bilder lassen erwarten, man könnte vor ihnen Furcht empfinden? Zumal dann, wenn es sich um gemalte Bilder handelt? Malerei gilt als glanzvolles, altes und somit elitäres Medium, das Zeit speichert und Zeit braucht, in der erinnert und verglichen und noch einmal geschaut werden kann. Malerei ist ein Beruf, der lange Zeit ausschließlich von europäischen, hellhäutigen Männern betrieben wurde, deren Werke die Wände der Museen stöhnen lassen. Es gibt wenige, die sich vor Bildern fürchten, auf denen eine Tischdecke aussieht wie Milch mit ungleichmäßig aufgeweichten Haferflocken. Es ist ein Minderheitsempfinden, dessen Wucht bislang unbekannt blieb. Es gibt manche, die die Tiefen der Farben, die Wölbungen der Dunkelheit, das Licht eines gemalten Raums auf den Bildern von Kerry James Marshall nicht kennen und die Frage, was das Licht dieser Malerei bedeutet, somit nicht beantworten können, aber die wenigsten werden sich wegen Unwissens diesbezüglich verantworten müssen. Es gibt wenige, die sich noch nie bei einem politisch inkorrekten Gedanken im Blick auf den Po einer Frau ertappt haben, aber ist das etwas, wovor man sich fürchten muss? Ist es nicht besser, wenn die Frau oberhalb des Hinterns sich vor solchen Gedanken fürchtet? Wo hört die Elite auf und fängt die Minderheit an? Die Freiheit, Malerei als ein existentiell nachhaltiges Medium aufzufassen, in dem die Gestalt der Gegenwart eine Gleichzeitigkeit mit Geschichte gewinnt – diese Freiheit ist elitär. Und es ist gut, die Möglichkeiten zur Furcht ästhetisch überprüfen zu können.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Kerry James Marshall - Who's Afraid of Red, Black and Green
21.09 - 25.11.2012

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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