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56. Kunst-Messe München: Alt aber spitze

Das ging fix: Der Kaiserpalastteppich aus Peking, Quianlong, 18. Jh., 190x260, ein museales Stück, ging bei Hans Eitzenberger aus Hamburg schon auf dem Preview der Kunstmesse München, der ältesten Veranstaltung ihrer Art in Deutschland, an einen Kunden. Flugs wurde der Teppich durch einen nicht minder guten als pièce de résistance ersetzt, einen von 1870, 215x115, mit lauter Glückssymbolen, chinesischen natürlich. Die Messe hat sich räumlich etwas erweitert, und die Qualität des Angebots ist noch einmal gestiegen. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass gut die Hälfte auch in Maastricht bella figura machen würde. Die Hälfte darunter ist aber auch gut und ihren Preis wert. Der Silberhändler Schepers aus Münster bestätigt das gern und sagte dem artmagazine.cc: "Die Vernissage war wundervoll, es hat einfach alles gestimmt. Die ausgezeichnete Bewirtung hob die Stimmung des tollen Publikums. Und es gab schon gute Verkäufe - eine runde Sache". Schepers verkaufte verstärkt Augsburger Silber, bestätigt aber auch das Hauptproblem aller Antiquitätenmessen: die Überalterung der Kundschaft. Es gibt nur wenig seriöse Interessenten unter 50 Jahren. Und das, so meinen viele, hängt auch mit dem "kulturellen Niedergang der Republik" zusammen, mit dem gesunkenen Bildungsniveau in den klassischen Disziplinen. Die Messe bietet ein breites Spektrum an, vom alten Ägypten zu Graecia Magna, vom Mittelalter bis zur Neuzeit, von der Porträtbüste aus parischem Marmor über das Silberschälchen und das prunkvolle Schreibmöbel zum Landschaftsbild von Kokoschka. So wie es sein muss. Und das in fast allen Preisklassen. Von daher rührt auch ihre Bedeutung. Peter Hardt aus Radevormwald, Champion der Himalaya-Kunst, beeindruckt mit ganzen, intakten Objekten - statt der sonst häufigen Fragmente -, etwa einem Ganesha aus feuervergoldetem, getriebenem Kupfer, entstanden um 1560 in Nepal (87x67x30 cm). Ein Knüller: der sechsarmige Mahakala mit Vampirzähnen, 36 cm hoch, aus farbig gefasster Bronze. Schwer zu sagen, woher und wie alt. Wohl entweder Mongolei oder Tibet, 18. Oder 19. Jh. Es ist letztlich unerheblich, es ist schlichtweg ein grossartiges Werk. An diesen herrscht auf der Messe kein Mangel, gleich in welcher Sparte. Beispiel Malerei: bei Senger (Bamberg) ein Luther-Porträt des älteren Cranach, mit Wappen des Hauses Mecklenburg-Schwerin auf der Rückseite, bei Kovacek & Galerie bei der Albertina ein ungewöhnliches Bild von Alfons Walde (auf Papier), einen weiblichen Rückenakt auf gelbem Grund um 65.000 Euro; ebendort eine Vedute von Rapallo von Kokoschka (1933); bei Schwarzer (Düsseldorf) ein sehr selbstbewusstes lesendes Mädchen, 1912 gemalt von August Macke. Thomas Schneider (München) hat einen hübschen kleinen Heuwagen des Wieners Désiré Thomassin, der in München gearbeitet hat (8500 Euro) und um 68.000 Euro einen Zwölf-Enten-Koester. Die Preise pro Ente haben sich stetig nach oben bewegt. OK - man meint ja auch, sie quaken zu hören. Schwerpunkt ist jedoch Pina Bausch als Motiv, verewigt zum Beispiel durch die Fotos von Walter Vogel (um 5.500 Euro). Bei Döbele aus Dresden, die auch auf der im gleichen Gebäude parallel laufenden Messe "Munich Contempo" ausstellen, die "Bildzeichen" von Max Ackermann um 45.000 Euro (dazu Hegenbarth, Felixmüller und H. T. Richter), bei Maier Fine Arts aus Stuttgart brilliert ein Henri Harpignies (Le Pêcheur près du Moulin d'eau; 1883, 73x54 cm, um 15.500 Euro). Harpignies stammt aus Valenciennes, wie Watteau und Carpeaux. Von letzterem hats eine Büste eines Chinesen, die mit seiner Allegorie Asiens zusammenhängt. Eine Säule der Messe ist Kunsthandwerk aller Art. Etwa sechs unterschiedliche Miniatur-Truhenmöbel des 18. Jh. bei C. E. Franke (Bamberg), die zwischen 6.000 und 24.000 Euro kosten. In grösser: ein Damenschreibtisch des Wieners Josef Dannhauser, etwa 1825, für die Erzherzogin Sophie auf Laxenburg, den danach viele haben wollten, weswegen es einige Varianten gibt. Das gute Stück findet man bei Georg Britsch junior aus Bad Schussenried (95x137x70) um 85.000 Euro. Neuhaus (Würzburg) ist stolz auf seinen Würzburger Tisch, mit den Schönborn-Löwen als Beinzier, gemacht von Johann Wolfgang von der Anwera 1745. Es war ein Geschenk des Friedrich Karl Schönborn an Karl Albrecht von Bayern, anlässlich seiner Krönung zum Kaiser (Karl VI.). Last not least gibt es auch Spitzenqualität in Porzellan, etwa bei Steinbeck aus Aachen. Ein 20teiliges Meissen-Service im Golddekor zum Beispiel, oder auch ein Meissen-Reiseser ice in 25 Teilen mit Kauffahrtei-Darstellungen und dazugehörigem Koffer (1740). Und: Zwei riesige Bartmannskrüge, einer gar mit stadtkölnischem Wappen, um 24.000 Euro. Eine Spitzenmesse.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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56. Kunst-Messe München
20 - 30.10.2011

Kunst-Messe München im Postpalast
80335 München, Wredestrasse 10
Tel: +49 431 680 380, Fax: +49 431 680 388
http://www.kunstmesse-muenchen.com/
Öffnungszeiten: 11-19 h


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