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Frieze art fair 2011: Rip-offs, Ironie, Melancholie

"Nein, so gut wie im Sommer in Basel ist es nicht" meint Bruno Brunett von Contemporary Fine Arts (Berlin), beeilt sich aber zu versichern, dass das nicht hieße, das es schlecht liefe. Man habe ein Hochplateau erreicht, so sehr viel weiter nach oben würde es wohl nicht mehr gehen. Auch mit den Preisen nicht. Also, so Brunett, "gibt es überall das Jammern auf hohem Niveau. Mir geht es doch ähnlich." Er wünschte sich eine neue Situation, quicker, hungriger. Man schliefe ja sonst fast ein. Die in Massen durch das Zelt im Regent's Park strömenden Besucher sahen das für sich offenbar anders. Judy Lybke (Eigen + Art, Leipzig und Berlin) auch, denn bei ihm stimmte die Kasse wie eh und je, mit Martin Eder (z.B. mit „Nervosität“, 2011, 244x186, um 68.000 Euro), Carsten Nicolai, Matthias Weischer. Ja, es wurde gekauft, aber vorsichtig und in Ruhe. Bloss keine Aufregung, alles easy. Und völlig unspektakulär. Eine der gemütlichsten Frieze-Messen überhaupt. Die Stimmung heiter, viele Besucher (echt viele!) ein verbessertes Besucher-Management (es purzeln nicht alle gleichzeitig durcheinander, VIPs und Schulklassen treffen nicht mehr aufeinander) und die Verankerung im Bewusstsein der zehn Millionen Einwohner in Gross-London (jeder Taxler weiss, wo die Messe ist), das macht die Frieze zu einem Erlebnis. Die leider gelegentlich schlechte Kunst kann das kaum trüben. Ja, die hat es heuer da mehr als sonst. Glaubt man jedenfalls. Es geht dabei nicht um subjektive Geschmacksurteile. Nimmt man etwa eine Maschine die zeichnet, kommt einem Tinguely in den Sinn. Die hat er für sich reklamiert. Kommt da einer her und macht das fast 1:1 nach - was soll das? Sagt die das plagiative Opus (appropriativ wäre der totale Euphemismus), diesen Rip-off vorführende Dame, sie wüsste das mit Tinguely, der Künstler sei davon beeinflusst. Auch bei den anderen Epigonen: Ähnlichkeiten ja, aber doch ganz anders aufgefasst … Da muss man die Frage an die Galeristen richten: es gibt so viele originelle Künstler mit einzigartigen Werken - warum bietet ihr so viel Nachgemachtes an? Die Frieze brilliert nicht so sehr mit Malerei, im Focus stand die Dimension drei. Reliefs, Skulpturen und Plastiken (vulgo Bildwerke) sowie Objekte und Mischtechniken gibt es zuhauf. Auch die Faszination ausgedienter Technik ist offenbar ungebrochen. Jack Pierson etwa komponiert "dead" aus alten Buchstabenkästen von Leuchtreklamen. Das gibt es um 100.000 Dollar bei Jack Hanley aus New York. Der Galerist: "Danke, es läuft gut!" Auch knallige Farben kommen wieder: Thomas Kiesewetter bei CFA Berlin stelllt es um 45.000 Euro unter Beweis (in der Galerie steht solch ein Teil mit einer Höhe von vier Metern). Die Besonderheit der unregelmäßigen, aber überzeugenden Form wird durch das Farberlebnis noch unterstützt und verstärkt. Das ist im Figürlichen ein Prinzip, mit dem Stepan Balkenhol schon lange arbeitet. Sein gekröntes, monumentales Haupt (König, 2011, 230 cm hoch mit Sockel - in Form eines Modelliertisches -, Kopf ca 145 cm, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Paris) gehört zu den eindrucksvollsten Bildwerken der Messe. Weil es auch einen Bezug zur Kunstproduktion selbst hat. Und immer wieder Bezüge zur gebauten Umwelt, vielfach auch mit Zaunelementen. Eine poetisch intensive Lösung: Die aus gesammeltem Altholz fabrizierte Hausfront von Marianne Vitale (False Front (12), 2011, bei Ibid Projects, London). Der Stand von Kargl (Wien) war gleichsam ein Haus mit Zaun, in das man hineinschauen konnte, um in einem musterhaften Wohnambiente Kunst zu sehen, etwa seine Dauerbrenner Muntean und Rosenblum. Ein Franz-West-Kabinett hatte es bei Meyer-Kainer (Wien), schön in Grün. Eine hübsche Idee: die Verwaltung der königlichen Parks - der Regent's ist einer davon - hat eine 250er Edition von Liegestühlen um je 135 Pfund herausgegeben, u. A. gestaltet von Tracey Emin. Parks sind ja ein guter Zweck! Nervös werden dürfte man in Basel, denn die letzhin doch etwas behäbig gewordene Art Basel Miami Beach bekommt echte Konkurrenz durch die New Yorker Ausgabe der Frieze im Mai 2012 (4.-7.5.). Ja und außerdem expandiert die Frieze auch zu Hause. Im nächsten Herbst läuft die Frieze Masters mit Kunst auch alter Meister parallel. Die Frieze scheint noch Nummer einser werden und sich über Basel erheben zu wollen. Keeping our fingers crossed …
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Frieze art fair 2011
13 - 16.10.2011

Frieze Art Fair
NW1 4RY London, Regent`s Park
Tel: + 44 (0)20 7025 3970, Fax: +44 (0)20 7025 3971
Email: info@friezeartfair.com
http://www.friezeartfair.com


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