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Curt Stenvert - NEODADAPOP: Ein internationaler Künstler des 20. Jahrhunderts aus Österreich

Dem vielseitigen österreichischen Künstler Curt Stenvert ist derzeit eine Personale in der Orangerie des Unteren Belvedere gewidmet. Parallel dazu zeigt Manfred Lang in seinen Galerieräumen in der Seilerstätte noch zu erwerbende Einzelarbeiten: Collagen, Schaukästen, Skulpturen. Curt Stenvert wurde 1920 als Kurt Steinwender in Wien geboren. Den Namen änderte er erst auf Zuruf eines Freundes 1969. Er wuchs unter harten Bedingungen in einer Wiener Arbeiterfamilie auf und verlor früh seine Mutter. Nach einem kurzem Intermezzo als Kandidat der Salvatorianer heiratete er früh und begann 1942 bei Karl Sterrer an der Wiener Akademie der Bildenden Künste zu studieren. Auf Grund des Krieges musste er sein Studium immer wieder unterbrechen. Schon früh war er mit den Schrecknissen des NS-Regimes konfrontiert, da sein russisch-stämmiger Schwiegervater immer wieder von der Gestapo vorgeladen wurde. Doch bevor sich Stenvert mit der Grausamkeit und Aberwitzigkeit des Krieges auseinandersetzte – siehe seine Skulptur „Stalingrad“ 1967 – begann er in den Vierzigern Bewegungsstudien zu skizzieren und zu malen, die er konstruktivistisch und kubistisch darstellte. So ist im Belvedere ein Violinspieler zu sehen, der mit Miro`schen Bewegungsstudien durchaus mithalten kann. Auch der Wiener Einfluss des Kinetismus einer Erika Giovanna Klien spielt hier eine Rolle, Laszlo Moholy-Nagy ist da wohl auch zu nennen. Schon bald führte ihn der Versuch, die Bewegung „prozesshaft aufzufächern“, zum Film. Darin entwickelte er eine solche Perfektion, dass er 1957 mit seiner zweiten Frau eine Produktionsfirma gründete. Sein erster Experimentalfilm „Der Rabe“ von 1951 ist im Belvedere zu sehen. „Wienerinnen im Schatten der Großstadt“ von 1951/54 ist eine bittere sozialkritische Abrechnung mit der Verelendung von Frauen am Rande der Gesellschaft und entsprach nicht dem gängigen filmischen Geschmack des Nachkriegsösterreich, im Ausland hingegen erhielt der Film zahlreiche Preise. In der Orangerie im Belvedere steht Stenvert als Bildender Künstler im Vordergrund. So wird u.a. auf Marcel Duchamps „Schachtelmuseen“ verwiesen sowie ein Bezug zu Hans Bellmers Fotografien von Kleiderpuppen hergestellt . Der Mensch und seine emotionale und intellektuelle Bedingtheit stehen sicherlich im Zentrum des Werks von Curt Stenvert. Wie ironisch er damit spielen konnte, sieht man in einer Arbeit bei Manfred Lang wo ein Holzkopf mit blutigen Nadeln durchbohrt den erstaunlichen Titel „Die grässliche Tat einer Mutter“ trägt. Dass er seine Figuren und Puppen dramatischer inszenieren konnte, zeigte er 1967 mit seiner Arbeit: „Stalingrad-Die Rentabiltätsrechnung eines Tyrannenmords“. Es handelt sich dabei um drei Schaukästen, in denen Totenkopffiguren und Wolfsmenschen in Soldatenkleidern Gehirne fressen und vom Dreck der Kämpfe umgeben sind. Stenvert versucht dabei aufzurechnen wie viele Menschenleben wohl durch einen gezielten Tyrannenmord in den Vierzigern gerettet werden hätten können. Die Arbeit, die das Elend und die Hässlichkeit des Krieges in seiner ganzen Abartigkeit vermittelt, hat eine didaktische Note, wie sie auch in der Fluxus Kunst eines Wolf Vostell oder Richard Lindner zu finden ist. 1967/68 waren die Schaukästen mehrfach in Paris zu sehen. Heute befinden sie sich im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. Zuletzt sind im Belvedere Beispiele aus dem Spätwerk Curt Stenverts zu sehen. Der Künstler widmete sich ab den 70er Jahren vermehrt der Malerei und entwickelte u. a. ein „bio-kybernetisches“ Manifest. Die Palette von Stenverts Alterswerk ist äußerst farbig und intensiv und frischt noch einmal auf. In der Galerie Lang sind aus den späten 60er Jahren Schaukästen zu sehen, in denen Figuren vor einem Goldgrund angeordnet sind. Unter dem Titel „Wolken über Betlehem“ türmen sich Kurvenlineale als Wolkenformationen vor dem Goldgrund. Der Goldgrund kann dabei, wie in der frühchristlichen Kunst, als Paraphrase auf das himmlische Jerusalem verstanden werden. Stenvert starb 1992. Die jetzige Ausstellung im Belvedere versucht einen Künstler zu ehren, der mit seinem Werk am Puls seiner Zeit war. Er vereinte wichtige internationale künstlerische Strömungen seiner Zeit in seinen Arbeiten und kam zu selbstständigen künstlerischen Lösungen. Er war humanistisch gebildet und hatte die Schrecknisse von Krieg und NS-Diktatur erlebt und überlebt. Er schritt als Filmer weit voran und zeichnet dabei ein anderes Bild des Österreich der 50er Jahre. Das Belvedere gibt einen guten, primär historischen Eindruck über das Werk dieses Ausnahmekünstlers. Künstlerisch erhellend ist hingegen die Ausstellung in der Galerie Lang. Hier kann man die differenzierte Formenvielfalt und handwerkliche Präzision dieses Künstlers sehr gut nachvollziehen.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Curt Stenvert - NEODADAPOP
05.10.2011 - 15.01.2012

Unteres Belvedere
1030 Wien, Rennweg 6
Tel: +43 1 795 57-200, Fax: +43 1 795 57-121
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr


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