Rainer Metzger,
Obrigkeit und Underground
Wolfgang Waldner ist stets um Reputation besorgt. Wenn in manchen Ecken des Wiener Museumsquartiers, dem er als Geschäftsführer vorangeht, zum Beispiel kein Strom zur Verfügung steht, dann ist Waldner gleich bei der Stelle: \"Nun sagen Sie bloss nicht, dass es daran liegt, dass wir zu spät mit dem Bauen begonnen haben\". Mit solch vorauseilenden Dementis hat er die Leute bisweilen erst auf die Idee gebracht, es könnte von seiner, das heisst der Verwaltungs-Seite her irgendetwas falsch gemacht worden sein.
Jetzt hat Waldner alles richtig gemacht, und es ist doch wieder nichts. Zusammen mit seinem Ideengeber Vitus H. Weh hat Waldner die bunten Pflänzchen, die sich auf dem jahrzehntelang verwahrlosten Areal entwickeln konnten, gewissermassen in Kunstharz giessen lassen. Kulturvermittler aller Couleur hatten sich hier angesiedelt, abseits der Haupt- und Staatsaktionen der Museen und ihrer Baustellen bildeten sie eine Art Ritzenbiotop.
Waldner und Weh setzten durch, dass es dabei bleibt. Und dass doch alles anders ist. Zum einen nämlich ist es nun, als \"Quartier 21\", institutionalisiert. Zum anderen ist, nach landesüblichem Interventionismus, alles mögliche dazugekommen. Auf der Verkehrsebene im Erdgeschoss hat man eine Luxusversion des im Mezzanin untergebrachten Wildwuchses der alten \"Kulturanbieter\" implantiert. Die Einbauten durften aus Gründen des Denkmalschutzes nicht ans imperiale Erbe rühren. So geht es eng zu, aber dafür lang. Um die sperrig gewordenen Räumlichkeiten zu füllen, hat man diverse Kollegen und Konkurrenten jener Organisationen, die ein Stockwerk oberhalb logieren, eingeladen oder gleich selbst gegründet.
So ist eigentlich alles richtig gemacht worden. In der Tat hatte man wohl selten zuvor die Gelegenheit, Obrigkeit und Underground, Administration und Subkultur in derart konzertierter Aktion zu sehen. Das \"Quartier 21\" ist Kulturzentralismus wie in Paris und Struggle for Survival wie in Drittwelt-Metropolen. Dazwischen liegt Wien, und solange die Kleinen eine Chance auf öffentliche Alimentierung wittern und die Verwaltung mit der alle zwei Jahre möglichen Weigerung winkt, die Mietverträge zu verlängern, ist alles in Ordnung.
Wäre da nicht Waldner. Denn Waldner ist ein Schwarzer. Einer, der zu jener Hälfte der Menschheit gehört, die der ÖVP zugerechnet wird. Also titelt etwa der \"Falter\": \"Dachmarke: Schwarze Hütte\". Den urösterreichischen Mechanismus der Einverleibung von allem und jedem in die Observanz der Bürokratie scheint man weniger zu bemerken. Die Parteizugehörigkeit fällt ins Gewicht. Wenn der Moloch sich demnächst wieder in Rot hüllt, ist dann vielleicht wirklich alles in Ordnung.
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