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Houston Fine Art Fair: YEEHAW!

Perfekte Stimmung: Die erste Ausgabe der Houston Fine Art Fair war ein großer Erfolg In Texas ist alles größer, sagt man. Das gilt auch für den Erfolg der neuen Messe Houston Fine Art Fair im riesigen George R. Brown Convention Center in downtown Houston. Das war ein echter Fetzenflieger, denn zur Vernissage gaben sich gleich mehr als 3000 Besucher die Ehre. Man darf nun aber nicht den Fehler machen und meinen, ein ausgehungertes Provinzpublikum nähme halt alles wahr, was sich so bietet. Houston ist der drittgrößte Kunstmarkt (nach New York und Miami) in den Vereinigten Staaten und hat international anerkannte Kunstinstitutionen (Menil Collection; Museum of Fine Arts Houston). Insofern ist das Erstaunliche die Tatsache, dass es bis dato keine Kunstmesse gab. Die Messe, organisiert von Rick Friedmans HEGshows, die Kunstmessen in den Hamptons (NY), Aspen (CO) und San Francisco (CA), alsbald auch in Palm Springs (CA) veranstalten, und geleitet von Fran Kaufman (sic!), die weiland zusammen mit Lorenzo A. Rudolf der Palm Beach 3 neu ausgerichtet hat, ist, so kann man ruhigen Gewissens behaupten, eine Bereicherung des internationalen Messekalenders. Und hat alle Chancen, sich behaupten zu können. Es ist in Houston allerdings genau so wie an anderen Orten auch: Es gibt da immer ein paar Eigenbrötler, die meinen, ihr eigenes Süppchen kochen zu müssen und so der Sache nur schaden. Hier verabschiedeten sich einige Personen aus dem Gründungskomitee und veranstalten, nur vier Wochen später, im Oktober, die „Texas Contemporary“ – so überflüssig wie ein Kropf. Da werden übrigens, wie man hört, auch noch Richter darüber zu richten haben. Erinnert alles ein wenig an Berlin, Köln und München. Das Design der Messe unterstreicht den hohen Anspruch, es ist dem der Armory Show angenähert, wirkt luftiger, heller, großzügiger als das von Scope und Pulse. Eine angenehme Atmosphäre, jedoch täte etwas mehr Catering sehr gut. Dass man an eine gute Zukunft der Messe glauben kann, liegt auch am Programm der gut 80 Aussteller aus zwölf Ländern, das beinah ausnahmslos über jeden qualitativen Zweifel erhaben war. Zudem reichte das Spektrum des Angebots von der klassischen Moderne (etwa ein großartiger Wilfredo Lam bei Cernuda Arte, Coral Gables (FL), um 1,2 Mio. Dollar) bis zum Zeitgenössischen, wo man sehr gute kleinere Arbeiten schon um 750 Dollar bekommen konnte. Es wundert auch - geostrategisch gesehen - nicht, dass Lateinamerika hier eine große Rolle spielte (es waren sogar zwei Galerien aus Kuba dabei, La Casona Art Gallery aus La Habana, und ebenfalls von da, Servando). Viele Zeitschriften und Institutionen nutzten die Messe als Forum, so etwa das örtliche „Station“-Museum für zeitgenössische Kunst oder das wohl einmalige „Art Car Museum“ (hat mit der Firma BMW und deren Art Cars nichts zu tun) – in Houston gibt es wohl die größte Zahl von Art Cars, also von künstlerisch bearbeiteten Autos, weltweit. Sehr wichtig auch, dass örtliche nicht-kommerzielle Unternehmungen sich für die Messe stark machen, wie etwa Diverse Works. Direktor Sixto Wagan meinte: „Hier kommt Gesellschaftliches und Kommerzielles zusammen. Die Messe unterstreicht den Charakter Houstons als internationale Metropole.“ Direktorin Fran Kaufmann sieht das auch so: „Houston hat eine großartige Bürgerschaft. Hier öffnen die Sammler ihre Häuser, hier gibt es auch genug Sammler, um die Messe zu stützen.“ Sie hat die Messe aus Lust an der Herausforderung übernommen, und das Ergebnis ist deutlich besser als erwartet: „Fast alle Aussteller haben verkauft, einige davon sehr gut. Auch das Vortragsprogramm war ein großer Erfolg, immerhin hatten wir ja unter anderem Edward Albee als Vortragenden! Auch die Fragen nach der Kommerzialisierung spielten durchaus eine Rolle. Der Vortragsraum war jedes Mal voll. Überhaupt kann ich sagen: Die Stimmung war perfekt.“ Das Angebot war in der Tat reichhaltig. Die Galerie Westwood (Soho, New York City) hatte Fotos von Douglas Kirkland (aus den 1950ern) dabei, zum Thema Chanel. Spektakulär: Die Variationen der amerikanischen Nationalflagge aus Brillengestellen, von David Datura (um 75.000 und 100.000 Dollar) sowie die schwarzweißroten „quantenbiologischen“ Bilder von Michael DesRosiers (sic), der in biotischen Formen auf den Malprozess und seine Zufälligkeiten verweist. Hingucker auch die Glasmosaik-Skulpturen von Jean Wells (3.500 bis 5.500 Dollar) bei der Amstel Gallery aus Amsterdam. Nicht nur der Hot Dog oder die Bierflasche, vor allem erregten die dem genius loci huldigenden Teile wie etwa der Cowboystiefel oder der Stetson große Aufmerksamkeit. Die Klassiker waren auch gut vertreten, etwa mit Philip Pearlsteins „Punch on a ladder #2“ (46x36 Zoll; um 91.000 Dollar bei Meredith Long & Company aus Houston). Fotografie hat hier viele Freunde, daher war auch Peter Fetterman aus Santa Monica / Los Angeles gekommen. Hier bekam man Fotos – unter anderem von Cartier-Bresson oder Salgado – innert einer Spanne von 750 bis 25.000 Dollar. „We are doing very well“ (Bei uns geht’s gold) meinte man bei Frey Norris Contemporary & Modern aus San Francisco. Die Galerie kümmert sich um das Werk der mexikanischen Künstlerin Remedios Varo (1908-1963) und richtet ihr die erste amerikanische Einzelausstellung seit 50 Jahren aus. „Die Messe ist eine gute Gelegenheit, die von uns vertretenen Künstler der örtlichen Sammlerschaft bekannt zu machen“ meinte Benjamin Rosenblatt von der Galerie Sundaram Tagore, wo unter anderem Hiroshi Senju (ein Superstar in Japan, 310.000 Dollar) auffiel und, um 36.000 Dollar, lyrische Bilder von Khaled Al-Saai, der das arabische Alphabet kompositorisch und farblich neu interpretiert, indem er den Buchstabenwert durch den Formwert ersetzt. Klassisches und Neues versammelten sich auch auf dem Stand von Schuebbe Projects (Düsseldorf): Es gab Kunst von Heimrad Prem (von der fast schon legendären Künstlergruppe „SPUR“), die atmosphärische Erotik von Christian Schoeler, den Christa Schuebbe an Urs Meile (Luzern, Beijing; nicht auf der Messe) vermittelt hat, und die kontrastreichen, glattkantigen Kombinations-Kompositionen von Dag Seemann, die die Vorstellungskraft des Betrachters herausfordern. Eine löbliche Präsentation war die der Mironova Gallery aus Kiew: Pièce de résistance war hier der rot gestrichene, mit rotem Kroko belederte und mit goldenen Schrauben versehene BMW-Motor aus dem Atelier von Oksana Mas (Jahrgang 1969; um 65.000 Dollar). Galeristin Christina Katrakis hatte sichtlichen Spaß an dem Stück, das – nicht nur für sie – ein Reflex auf das neue Russland darstellt. Und noch ein Aufreger: Bei Jerald Melberg (aus Charlotte, NC) hoben Holzskulpturen, realistisch auch weil farbig gefasst, die Arme beim melancholisch unbeteiligten Versinken im Boden. Der Versenker: Bob Trotman. Der Preis: Um 20.000 Dollar. Ja und gleich noch einer: Dan Tague aus New Orleans faltet Dollarscheine so, dass die Buchstaben darauf neue Worte, subversive Texte bilden. Das kapitalistische Origami verkaufte sich mehr als 30 Mal um je 3.400 Dollar (Ed. 5; bei Jonathan Ferrara aus New Orleans). Häufig befassen sich die Künstler mit Rekonstruktionen. So auch der Argentinier RES bei der Yam Gallery (San Miguel de Allende, Mexiko), der bekannte Porträts von Renaissance-Malern fotografisch nachstellt (um 7.000 Dollar, Ed. 10). Ein schöne, eine gute, eine zukunftsträchtige Messe, die den seit mehreren Jahren feststellbaren Trend unterstreicht: Kleinere, übersichtlichere, regionale Messen mit internationaler Qualität, die zum Sammler kommen. Eine gute Idee.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Houston Fine Art Fair
15 - 18.09.2011

George R. Brown Convention Center
77010 Houston TX, 1001 Avenida De Las Americas
http://www.houstonfineartfair.com/


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