Werbung
,

Hans Schabus - Remains of the Day: Steife Oberlippe

Gerade komme ich aus Britannien zurück. So kann ich berichten, dass mir Greenhorn im Linksverkehr ein kleiner Unfall passiert ist, ein dummesTouchieren eines parkenden Autos. Die Dame, der das Fahrzeug gehörte, arbeitete im malerischen Post-Office gleich nebenan, und als ich ihr mein Malheur gestand, legte sie in Perfektion an den Tag, was die Briten eine „Stiff Upper Lip“ nennen. In grimmiger Beflissenheit hörte sie nicht auf, einen Kunden, der gottseidank gerade vorhanden war, zu bedienen, und beschwor voller Selbstverleugnung die totale Normalität. James Ivory hat 1993 einen Film herausgebracht, der dieser Mentalität ein Denkmal setzt. Anthony Hopkins und Emma Thompson spielen das verhinderte Vorzeigepaar, das einander nicht findet, weil man an den Konventionen und der steifen Oberlippe nicht vorbeikommt. Beide geben sie gehobene Dienstboten, ihr Herr ist ein Nazi, doch die Story handelt nicht von den Dreißigern, sondern von der Zeitlosigkeit der Triebkontrolle. Der Titel des Films: „Remains of the Day“. Weil ich gerade aus Britannien zurückkomme, kann ich berichten, dass Hans Schabus im Moment eine wunderbare Solo-Präsentation bei Collective in Edinburgh gibt. Collective ist eine Art Produzenten-Galerie, der Zeitpunkt ist der beste, denn es läuft im Augenblick das, wie die Briten sagen, High Brow - Event des Edinburgh Festivals, gepaart mit Fringe, der Middle Brow - Alternative für die Rucksack-Touristen. Der Titel von Schabus’ Installation: „Remains of the Day“. In beflissenster Selbstverleugnung hat Schabus seine und seiner jungen Familie Wegwerfgüter über ein Jahr hin aufbewahrt. Er hat Schnaps- (recht viele) und Rotweinflaschen (recht wenige) dem Glascontainer verweigert, hat Zigaretten im Plastikkübel gehortet und Einwegwindeln einem Recycling unterzogen, so dass sie, Respekt, nicht mehr leisten, was ihre Raison d’Etre zu sein scheint: stinken. Alle die Reste des Tages und der Monate hat er in der Galerie in den dezidiertesten Rapport gefügt, Produkt um Produkt, Ordnung im Karree, eine Schlange über vier Räume hinweg, an der die Queuing Up-gestählten Einheimischen ihre Freude haben. Das Begleitheft erklärt über vieles Räsonnieren hinweg, was der Unterschied ist zwischen Müll und Schabus’ Arrangement. Der Unterschied ist Kunst und insofern eher banal. Interessanter ist da schon, wie Schabus es immer wieder vermag, auf die Ortsspezifik zu reagieren, wie er etwa der Biennale einen Berg verpasst hat oder der Secession Katakomben. Nun begegnet er der britischen Steifheit (hinter der, das wusste schon das 18. Jahrhundert, der „Vice anglais“ lauert, die Liebe zur Flagellation) mit einer eigenen Form der Daseinsregulierung. Hier also, zur Wiederholung, das letzte Wort meiner Rezension von Schabus’ Secessions-Ausstellung 2003: Grandios.
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Hans Schabus - Remains of the Day
05.08 - 25.09.2011

Collective
EH1 1NY Edinburgh, 22-28 Cockburn Street
Tel: +44 131 220 1260
http://www.collectivegallery.net/
Öffnungszeiten: Di-So 11-17h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: