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Rollenbilder - Rollenspiele: In der Robe des Quotenbringers

Wir alle schlüpfen in Rollen, folgen Skripten, bewegen uns als Akteure und auf Bühnen, vor und im Publikum: Ein Blick auf die Bildlichkeit der Begriffe offenbart uns die Gesellschaft als Veranstaltung eines lokalen Globaltheaters. Denn wir alle sind Schauspieler und Schausteller, Darsteller unterschiedlichster kultureller, sozialer und biologischer Haupt- und Nebenrollen, Star und Statist in den Sinnspielen des Lebens. Wir alle spielen Theater, um den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen zu entsprechen, unser „Selbst“ als Schatten von Identität und Zweifel darzustellen. „Rollenbilder – Rollenspiele“ am Salzburger Museum der Moderne gibt erstmals einen Überblick über das Phänomen des inszenierten Rollenspiels aus heutiger Sicht. Anhand von 400 Fotografien, Grafiken, Videoarbeiten und Installationen von rund 90 Künstlern (!) wirft sie sich die thematisch weit geschnittene Robe eines maßgeschneiderten Publikumslieblings zu Festspielzeiten (!) über, will alles und jeden im standesbewussten Übergrößenformat zeigen. Was in Summe ein kaleidoskopisches Panorama entwirft, von den paraphrasierenden „Tableaux vivants“ des 19. Jahrhunderts bis zu den Rollenspielen in den sozialen Netzwerken des Internet. Die Wiederholung und Verdopplung sind dafür zentral, wie es Judith Butler in „Gender Trouble“ oder Erving Goffman in „Wir alle spielen Theater“ betont hatten. In der künstlerischen Anverwandlung folgt eine pointierte Überhöhung: Im rezitierenden Da Capo einer ikonografischen Vorlage oder eines benennbaren Bildwerks als gefügiger Matrix, wie sie in den lebendig gewordenen Bildern zu beobachten ist, lässt sich die Rolle als solche erkennen. Die inszenierende Darstellung des Selbst enttarnt sich als offensichtliche Re-Inszenierung, als Wiederaufnahme eines längst abgesetzten Stücks. Damit trifft man auf eines der ganz großen Themen der zeitgenössischen Kunst: Die Geste der einfühlenden Nachstellung greift die Verhaltensmuster und Handlungsanweisungen der Appropriation Art auf, der künstlerischen Annahme und Einvernahme des Anderen in uns und um uns herum; wenn sie mit dem Taschenspielertrick des Sampling hantiert und mit Bildern über Bilder argumentiert, kommt unversehens das Phänomen des Karaoke als Mittel und Methode der Bildfindung ins Spiel. Dass die so überambitioniert daherkommende Schau, deren nicht enden wollender Reigen von A wie Abramovic bis Z wie Zander & Labisch, von S wie Sherman und STURTEVANT und immer weiter reicht, in unterschiedlich undeutlich umrissenen Abteilungen zwischen religiös angespannter und sexuell aufgeladener Schwärmerei sein Thema irgendwann aus den reizüberfluteten Augen verliert, kennzeichnet „Rollenbilder – Rollenspiele“ als einen abenteuerlustigen Parcours ganz auf der Höhe der Zeit: Als eine unbändig wuchernde und maßlos ausufernde Ansammlung – Konvolut im Jargon – in der Rolle / Robe eines repräsentablen Quotenbringers, eine kaum akzentuierte oder reduzierte Stoffsammlung auf zwar höchstem, wiewohl nur unmerklich angehobenem Brainstorming-Niveau. Zu viele Bilder, Titel, Thesen und Temperamente, die sich zwangsläufig übertönen müssen, nur wenig Spiel. Und schließlich war ich immer schon die Vielen, alles zugleich (Egon Schiele) und ein ganz anderer obendrein (Arthur Rimbaud / David Wojnarowicz), bis dass der allerletzte Vorhang gefallen ist…
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Rollenbilder - Rollenspiele
24.07 - 30.10.2011

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
http://www.museumdermoderne.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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