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Inside or Outside is the Question: Andauerndes Stückwerk

Die meiste Zeit, die der Mensch verbringt, vergeht, und der Mensch vergisst sie. Dies hat der Mensch dem Internet voraus, und erst seit dem Internet wird das Vergessen-können als Begabung reell geschätzt. Davor sind Uhren und Kalender erfunden worden, aber auch Botox, um die Zeit besser oder schlechter vergessen zu können. Wer sich hingegen kurzfristig über die Zeit erhaben fühlen will, hat Gelegenheit, das in der Area 53 auszuprobieren. Das nämlich haben Kunstwerke dem Internet und den Menschen voraus – sie brauchen nicht vergessen zu werden, weil sie endlos dauern. Die irrlichternden Zielscheiben von Ingo Nussbaumer beispielsweise werden immer die Frage aufwerfen, wo ihr Zentrum ist. Die fliegenden Männer von Eva Schlegel werden den Boden nie berühren. Die Badende Dame in vier Bildern von Nina Engeln wird dauernd rote Fußnägel haben und mit dem Schlauch Verwindungen vornehmen, die die schaumgeborene Venus, Eva im Paradies und Laokoon gleichermaßen beeindrucken könnten. In den „Irrwege im Inneren“ von Manuel Gras werden die Kopulationsvorgänge im und über dem ausfransenden Altersportrait eines Unbekannten nie ermüden, nie Viagra brauchen, nie Früchte erzeugen und brüllende Nachkommen umsorgen müssen. Die ertropften Fratzengeistgesichter von Christian Eisenberger werden schwerlich über die formale Begegnung von Pollock und de Kooning hinauskommen und aussehen wie jemand, mit dem man bekannt sein könnte, sie werden unerlöste Gespenster bleiben. Im „B-Monster“ von Franco Kappl wird man das B kaum je endgültig festlegen können und nicht, wie das Schwarz, das Weiss und das Grau mit dem Fastgelb einen Raum herstellen, der woanders möglich wäre als für die Suche nach dem B. Die mit Kohlestrichen zwar angedeuteten, aber nicht stringent umrissenen Körper des „Gegensprung“ von Udo Hohenberger werden nie kollidieren, und man wird sich anhaltend fragen können, ob es ihnen gut geht, ob sie sich nacheinander sehnen oder ob es doch kurz vor einem blöden Unfall mit ihnen steht. Die Strichmännchen von Erwin Wurm hingegen werden sich stets bücken, gegen den ausgerollt und sich selbstständig mit Nudelholz windenden Fragezeichenfladen, gegen die Ausstülpungen einer Wand; das dritte legt seinen Kopf gleich schonend in die Ablageschachtel, und so aufgeräumt wird es bleibend bleiben. Die beiden Figuren in Figuren 2 von Thomas Nemec werden immer kaum unterscheidbar vom sie umgebenden Schwarz sein und ihre Geheimnisse, seien sie schlimm oder schön, nie vollständig offenbaren. Der Stuhl vor „Der gedeckte Tisch“ von Dorothee Golz wird ohne Sitzfläche ewig Hunger haben. Bei jeder Arbeit kann man sich frei für Immer oder Nie entscheiden. Und solch ein Erhabenheitsvorsprung vor der Zeit, die im Sommer so erstaunlich ewig erscheint, dass man den Winter jetzt schon gründlich fürchten sollte, ist unermesslich, unerschwinglich und kann einen durch seine pure Anschaulichkeit schwer begeistern. Falls man nicht vergessen hat, wie Begeistertheit geht, weil man von den Sommerfreuden jetzt schon erschöpft ist – aber Üben hilft, garantiert.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Inside or Outside is the Question
16.06 - 22.07.2011

Galerie Area 53
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 53
Email: thearea53@gmail.com
http://www.area53.name
Öffnungszeiten: geschlossen


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