Rainer Metzger,
Plattform5_Documenta11: Das alles gibt es also
Im Kulturbahnhof, dem Verkehrsreststück, in dem das Unkraut, das Lois Weinberger einst der documenta X pflanzte, mittlerweile überlebensgroß aufschießt, gibt es eine Bilderfolge von Bernd und Hilla Becher. Gewohnt schwarzweiß, gewohnt geometrisch, gewohnt streng werfen sich die Motive, für diesmal ist es das grobe Fachwerk mitteldeutscher Allerweltshäuser, in Szene. Im nächsten Raum sind Isa Genzkens \"New Buildings for Berlin\" zu sehen, Bildhauerbauten, gläserne Stelen minimalistischen Angedenkens. Sodann folgt die infantile Wunderwelt von Bodys Isek Kingelez, ein Pappmaschee-Metropolis aus Modelleisenbahner-Hingabe, bunt, lustig, dilettantisch. Gerahmt wird die Trias aus irgendwie Architektonischem von fotografischen Einblicken in die Ghetto-Tristesse von Lagos, Johannesburg, New Delhi. Wie verträgt sich die Observanz der Conceptual Art mit der CNN-Ästhetik der Global City-Dokus? Ist Okwui Enwezor am Ende ein Ironiker und die Bechersche Beckmesserei Opfer seines Faibles für das schreiende Durcheinander?
Im Fridericianum, dort, wo die documenta-Leiter ihren Inszenierungen so etwas wie Programmatik mitgeben, setzt es mit dem Orthodoxesten ein, was Conceptual überhaupt zu bieten hat: Hanne Darboven und On Kawara. Doch links und rechts davon, jeweils einen Saal weiter, treiben die Fluxus-Bricolagen von Dieter Roth ihre Blüten. Zu schweigen von weiteren Dokus und weiteren gerammelt vollen Stellräumen mit Künstler-Devotionalien. Ist Okwui Enwezor am Ende ein Zyniker und lässt die diversen Designs grinsend aneinanderprallen, sie sozusagen ins Leere exuberanter Angefülltheit laufen?
In der Binding-Brauerei, Enwezors Entdeckung von Neuland, beginnt es mit der Raumfolge Candida Höfer - Allan Sekula - Louise Bourgeois, und man ist gleich geneigt, diese Dreiergruppe für das gelungenste auf der documenta 11 zu halten. Vis-à-vis davon lässt es Artur Barrio dafür nach dem Kaffee riechen, der am Boden ausgestreut ist, oder es rotiert bei Nari Ward ein wollknäuelartiges Perpetuum Mobile aus Rohren, Reifen, Ringen. Ist Okwui Enwezor am Ende einfach ein ehrlicher Mensch, dessen Diktum, \"ich habe kein Konzept\" den roten Faden durch diese documenta zieht? Nach dem Motto: Das alles gibt es also? Apfel und Birne? Wer hätte das gedacht.
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Plattform5_Documenta11
08.06 - 15.09.2002
Documenta
34117 Kassel, Friedrichsplatz 18
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Email: info@documenta.de
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