Werbung
,

Virtuos zwischen Kapital und Kommunismus

Zwischen künstlerischen Avantgarden und sozialen Bewegungen gebe es eine Art Geschwisternschaft: Sie beide, meint der postoperaistische Philosoph Paolo Virno, stellten alte gesellschaftliche Standards in Frage. Diese Gemeinsamkeit ist, dermaßen basal formuliert, naheliegend. Und doch ist ihr von der Kunstgeschichte nicht gerade zentrale Aufmerksamkeit zugeeignet worden. Damit sich das ändert, gibt es u.a. die von Nai Publishers herausgegebene Reihe „arts in society“, in der der Band „Being Artist in Post-Fordist Times“ erschienen ist. Darin bezieht Virno, der neben Antonio Negri und Michael Hardt wohl zu den wichtigsten VertreterInnen des Postoperaismus gehört, seine Ideen zur gegenwärtigen Gesellschaftsformation in einem knapp 30seitigen Interview erstmals direkt auf die Kunst: Der Postfordismus, die Zeit nach fordistischer Fließbandarbeit, vermeintlich stabilen Erwerbsbiografien und dem Massenkonsum, hat künstlerische Prinzipien verallgemeinert. Die Fabrik ist kein Gebäude mehr, sondern überall, und performative, kreative, kommunikative Akte sind die zentralen Modi kapitalistischer Wertschöpfung. „I see virtuosity“, sagt Virno dementsprechend, „as a model for post-Fordist work in general.“ (18) Für Virno ist diese Kommodifizierung des kreativen Lebens aber kein Grund zur Verzweifelung. Denn im Hinblick auf die – durch Kunstavantgarden und soziale Bewegungen – in Frage gestellten Maßstäbe sei Kunst „a lot like communism.“ (18) Wie aber kann Kunst dem aktuellen Kapitalismus ein Modell sein und zugleich dem Kommunismus ähneln? Grob vereinfacht gesagt, nehmen die PostoperaistInnen das Marx´sche Diktum besonders ernst, dass sich die Formen einer neuen Gesellschaft immer schon in der alten herausbilden. „The exceptional situation is rather the result of creative processes.“ (41) Die KünstlerInnen sind, wie die Herausgeber betonen, zum Modell für die neue Arbeitsethik geworden. Dies bedeute nicht zwangsläufig gewieftere Verwertung, sondern kann nach Virno auch zur Entstehung einer neuen öffentlichen Sphäre jenseits der repräsentativen Staatsform führen. Wie sie selbst mit dieser Situation umgehen, wird in den Gesprächen mit KünstlerInnen verschiedener Generationen und unterschiedlich starker Politisierung ausgelotet: Michelangelo Pistoletto, Pippo Delbono, Anne Teresa De Keersmaeker, Sang Jijia, Pun Sui Fai, Matthew Herbert und Thierry De Cordier. Drei theoretische Aufsätze und eine Bildstrecke ergänzen die Diskussion, die der Band aufgreift, fortführt und in der soziale Bewegungen zumindest hier eine erstaunlich geringe Rolle spielen.
Mehr Texte von Jens Kastner

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: