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Turner - Monet - Twombly, Later Paintings: Angewandtes Avancement

Ein Phänomen, bei dem sich Eitelkeit und Exklusivität miteinander verbinden, ist die Veredlung durch Nähe: Der Glanz einer Sache oder Person beleuchtet und erhöht die nähere Umgebung. So wäre der Allerwerteste der jüngeren Middletonschwester nie zu Ruhm gekommen, hätte die Hochzeit der älteren nicht als global live-übertragungswürdige Angelegenheit stattgefunden. Im Fall der bereits in Stockholm gezeigten, nun in der Staatsgalerie Stuttgart laufenden Schau „Turner-Monet-Twombly - Later paintings“ geht es wohl kaum darum, den avantgardistischen Furor der erstgenannten endlich zu präsentieren. Neben Turners kühnem Wetterleuchten und Monets Farbfächerungen präsentiert sich vielmehr Twombly hier als Maler, dessen gemalter Raum vor allem durch Andeutungen schriftlicher Art entsteht - sei es durch die Betitelung, sei es direkt durch Schriftkrakel im Bild. So wird, wer bei Twomblys „Orpheus“ von 1979 nach einem Horizont außerhalb des mit griechischen Großbuchstaben grob gezeichneten Worts Orpheus sucht, nicht fündig werden. In Stuttgart hängt dieses Bild im kleineren Raum der „Atmosphäre“-Abteilung. Es ist das größte Bild in diesem Raum. Gegenüber hängen zwei Fassungen der Waterloobridge zu verschiedenen Tageszeiten und daneben eine Morgenlichtbeleuchtung der Kathedrale von Rouen von Monet. Von Turner ist eine Ansicht von Venedig zu sehen, die so mit flimmerndem Lichtweiß übergossen wird, dass die Konturen von Santa Maria della Salute fast verschwinden, außerdem eine Ansicht der Themse, über der das Licht von dreckigem Dunst gefächert wird. Trotz einer vom Fotorealismus unbeleckten Darstellung werden bei Turner und Monet konkrete Erfahrungsräume sichtbar; selbst in den mit kuratorisch rücksichtsvollen Fragezeichen betitelten, etwas schmuddelig wirkenden Skizzenkartons von Turner ist jeweils ein Horizont gegeben. Demgegenüber wirken die teilübermalten Schriftzüge von „Orpheus“ nur dann räumlich, wenn man Auslöschung als immer dreidimensionalen Akt ansieht. Ein artiger, andeutungserprobter und mythologiekundiger Betrachter wird hoffentlich ausklügeln, dass das gegen die Schrift kämpfende Weiß von Twombly eine Metapher für den Nebel des Hades sein könnte, in den Orpheus sich ja nur der Liebe wegen hinabzusteigen getraut hat – und so gesehen wäre dies natürlich von allen präsentierten Atmosphären die exklusivste, denn London, Venedig oder Rouen kann schließlich jeder besuchen. In freier Analogie lässt sich folgern, dass Pippas Po den wahren Grund für die Hochzeit von Kate und William bildet. Man muss sich doch endlich mal von der Illusion befreien, dass wahre Liebe – oder der Raum in der Malerei – relevante Rollen spielen im Leben. Bis 28. 5. 2012, danach Tate Liverpool (22.6. – 28.10.2012)
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Turner - Monet - Twombly, Later Paintings
11.02 - 28.05.2012

Staatsgalerie Stuttgart
70173 Stuttgart, Konrad-Adenauer-Strasse 30-32
Tel: +49 711 470 40 0, Fax: +49 711 236 99 83
Email: info@staatsgalerie.de
http://www.staatsgalerie.de
Öffnungszeiten: Mi, Fr, Sa + So 10-18, Di + Do 10-20 h


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