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Curated by Nicolaus Schafhausen: Thea Djordjadze - Casualties: Mögliche Schaumschlagstoffschäden

Der Ruhm des Dädalos bestand nicht nur darin, dass er für einen Minotaurus ein Labyrinth baute und für sich und seinen Sohn Flugapparate, sondern auch darin, dass er gehende Lebewesen abzubilden vermochte – vermutlich entdeckte er den Kontrapost. Zwei Beine muss man ja nicht in derselben Krümmung aus der Hüftgelenksapparatur abstellen. Die Ägypter werden ihn begriffen haben, den Ruhm des Dädalos. Den rühmlichen Ägyptern galt die Katze als heiliges Tier, und später machte Giacometti eine Katze, deren luftstreichendes Katzensein einen Grad von Unkitschigkeit erreichte, der im Nippes nie vorkommen könnte. Thea Djordjadze macht Skulpturen aus sehr wenig Materialien ohne Titel. Trotzdem sind die Arbeiten präzise zu unterscheiden, und wer eine definitiv den Grad der Unkitschigkeit eines Giacometti überholende Vielleicht-Katze aus Glas, Stahl und mit Schaumstoffschnurren zu heiligen weiß, wenn sie ihm begegnet, sollte sich zu „Casualties“ bei Meyer Kainer begeben und suchen. Diese Katze hat versetzte Pfoten, einen gesenkten Schwanz, keinen Schnurrbart und keine Ohren – und wer einen Hund in ihr sehen will, einen sehr schlanken und grazilen, vielleicht einen kauernden Keinohrwindhund – der darf sich genauso freuen, über das Schaumstoffseufzen insbesondere. Wer Probleme mit dem Schaumstoff hat, vor allem, weil er Schaumstoff immer als funktionale Pölsterinnerei oder Hausmäntelung gesehen hat und das Gelb bei aller Funktionstüchtigkeit des gemeinen Schaumstoffs entwürdigend fettig fand, der könnte sich vorstellen, die Butter von Josef Beuys sei der Schaumstoff von Thea Djordjadze – ein Schaumstoff, der zum Träger von Zementscherben wird und zum Schmiegkörper um Stahl und unter Gitter – oder eben ein Tiergeräusch, das man nicht hören, aber sehen kann. Es gibt aber auch von insgesamt sieben drei Skulpturen, in denen Schaumstoff keine Rolle spielt. Keine sieht aus wie etwas, das man vorher schon gekannt hätte, aber alle ähneln verschiedensten Dingen und gebrauchen dafür eine Sprache, die von Fragilität, genauer Platzierung, Kombinationslust und Auslassungen geprägt ist, die von dem Raum dazwischen genau so handelt wie von dem, aus dem sie ist. Es gibt keine Schnörkel, keine Niedlichkeit, keine Frivolität und keinen Zorn – sondern tiefen Ernst, gefährdete, aber gehaltene Balance, paralleles Schweben und am-Boden-sein. Niemand muß sich Katzen oder Hunde ausdenken, um an Proportion und Gestaltung Gefallen zu finden. Und wer meint, der Ausstellungstitel verheiße Massaker, kann sich fragen, ob die Opfer der Unfälle, die die Skulpturen sehen, wirklich sie selbst sind oder nicht doch ihre Betrachter. Natürlich ist es gefährlich, sich zum Opfer von Kunst, die einen von unten anschaut, zu machen. Ikarus, der Sohn von Dädalus, starb beim Jungfernflug, weil er zu sehr zur Sonne wollte und das Wachs der Flügel schmolz. Die Frage, ob er an der Kunst seines Vaters oder durch seine Sehnsucht nach der Sonne starb, ist nicht geklärt.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Curated by Nicolaus Schafhausen: Thea Djordjadze - Casualties
13.05 - 18.06.2011

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


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