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Material Culture: Ambivalenz oder Klarheit, Straße oder Galerie, Kunst oder Politik ...

In „Women, Art, and Power“ (1988) wies die Kunsthistorikerin Linda Nochlin darauf hin, wie eng die Entstehung einer feministischen Kunstgeschichte mit den „aufregenden Tagen des Women´s Liberation Movement“ in den frühen 1970er Jahren verknüpft war. Auf diese Aufregung wie auf die Verknüpfung bezieht sich eine aktuelle, 20-teilige Arbeit der beiden Künstlerinnen Anetta Mona Chisa und Lucia Tkacova. Die Christine König Galerie zeigt die zwanzig kleinformatigen Collagen mit Schwarzweiß-Bildern aus der Geschichte der internationalen Frauenbewegungen in an die Wand gelehnten Glasrahmen. Die Bilder zeigen Protest und Demonstrationen, Frauen mit Transparenten, Bannern und Schildern: Ausgetauscht aber sind die Losungen. Mit roter Schrift auf hellem Untergrund haben die Künstlerinnen den kämpfenden Frauen rückwirkend die totale Ambivalenz zugeschrieben. Nun tragen sie Forderungen wie „Everything or Nothing“, „Competition or Collaboration“, „Mom or Dad“ – mal mehrere auf einem Bild, mal nur einen einzigen Schriftzug wie etwa „Image or Text“. Das ist einerseits sehr lustig, andererseits aber auch mehr als nur die „Spannung zwischen hohen Idealen und Lebenswirklichkeit“, wie die Kuratorin Dessislava Dimova im Begleittext schreibt, die hier zum Ausdruck kommt. Es ist auch eine Bearbeitung des von Nochlin aufgezeigten Zusammenhangs zwischen politischem Engagement, künstlerischer Produktion und dessen Reflektion. Und dabei ein Hinweis auf die strukturellen Hürden zwischen dem Klarheitspostulat der Politik und der Ambivalenznotwendigkeit der Kunst. Im Hauptraum der Galerie stehen in geordneten Reihen Blumentöpfe mit Clematis, die je eine Banderole mit dem Hinweis tragen, es handele sich um Erinnerungen an Lida Clemetisová. Die tschechische Opernsängerin hatte in den 1960er Jahren für die Rehabilitierung ihres Mannes Vladimir Clementis gekämpft. Sie selbst war gefoltert worden, ihr Mann, prominentes Mitglied der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, hatte die stalinistische Säuberung nicht überlebt. Die phonetische Annäherung, die die Blumensorte an den Namen einer Liebenden und einer Kämpferin für Gerechtigkeit sucht, ist der Einsatz eines Tons in die umkämpfte Geräuschfolge, die wir kulturelles Gedächtnis nennen. In solchen Einsätzen treffen sich im Übrigen Aktivismus und Kunst nicht selten.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Material Culture
13.05 - 18.06.2011

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


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