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Hommage à Antonin Artaud: Devotionalien des Anti-Heiligen

\"Konvulsivisch\" nannte er in seiner vielleicht bekanntesten Schrift \"Van Gogh, der Selbstmörder durch die Gesellschaft\" den ureigenen Expressionismus des Holländers. Konvulsivisch ist Antonin Artauds eigenes Artikulieren nicht minder. Das Krampfhafte, Zuckende, Zerrende, das dieser Lieblingsausdruck der Surrealisten zu fassen sucht, das Mechanische und Fremdmotorische ist Artaud allein deshalb eigen, weil er sich ein Leben lang an den Folgen einer mit fünf Jahren eingefangenen Meningitis abarbeitete. \"Die Verbindung von Leben und Werk bei Artaud ist so eng, dass man von einer vollständigen Identität der beiden, wenn nicht von einer gefahrvoll totalitären Identifikation sprechen muss\". Cathrin Pichler trifft diese gelungene Feststellung im nicht weniger gelungenen Begleitheft zu ihrer perfekt gelungenen \"Hommage à Antonin Artaud\" im Mumok. Die totalitäre Identifikation macht wiederum die Faszination dieses Allesnichtkönners aus. Seine Texte sind ein Stakkato an Sentenzen, gerade wie bei Nietzsche, und wenn dieser sich als der \"Gekreuzigte\" sah, so beschreibt sich jener als \"martyrisé\". Artaud hatte das Glück, dass seine Mentoren Foucault oder Derrida hießen und kein Regime seinen Avantgardismus ins Politische pervertierte. Zu allererst ist Artaud eine Figur und als solche, als Topos, als Existenzform, als Existenzialismusform, schwer ausstellbar. Die Präsentation behilft sich mit den Dokumenten, die dieses Leben hinterlassen hat, ausgebreitet in Vitrinen, die wie hineingegossen wirken in die Leere des plötzlich so gut funktionierenden Mumok. Und sie prunkt mit den Zeichnungen, zu denen Artaud in seinen allerletzten Jahren, unterstützt von Dubuffet, den Mut fand. Die Broschüren, Fotos, Manifeste sind Devotionalien dieses Anti-Heiligen und sie sind Relikte jener fernen Zeit, als die Moderne ein letztes Mal an ihre Ziele glaubte und deswegen verdientermassen \"klassisch\" heisst. Insofern wirft sich das Papier - und das meiste, das es zu sehen gibt, ist papierern - zu nicht weniger als Aura auf. Der Anti-Held ist längst der wahrste aller Heroen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Hommage à Antonin Artaud
07.09 - 17.11.2002

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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