Martin Fritz,
Geburtstagstorte oder Ausstellungshonorar? Petitionen anderswo
Wenn wir in Wien damit hadern, dass Petitionen kursieren, in denen die Verwendung von öffentlichen Museumsmitteln für private Feiern relativiert wird, lohnt es sich, zur eigenen Entlastung den Horizont zu erweitern, und zu sehen, mit welchen Forderungen Kulturschaffende anderswo an die Öffentlichkeit treten. In New York etwa mit der Forderung nach Ausstellungshonoraren für Künstler_innen und andere freie Kulturschaffende, einem Forderungsklassiker, der in den letzten zwei Jahren durch die Aktivitäten der Gruppe W.A.G.E (Working Artists for the Greater Economy) mit Nachdruck wiederbelebt wurde.(1)
W.A.G.E bezieht sich direkt auf lokale Vorbilder wie die legendäre Art Workers Coalition (AWC), einer losen, aber gut organisierten Gruppe von Künstler_innen, Kritiker_innen und Filmemacher_innen, die in den späten sechziger Jahren versuchte, die Beziehungen zwischen Museen und Künstler_innen zu verändern. Anders als AWC, deren Forderungskatalog neben praktischen Fragen (Folgerecht, Krankenversicherung, Leihhonorare etc.) auch Statements zu Vietnam und ökologischen Problemen umfasste, beschränkt sich W.A.G.E im Moment ausschließlich auf die Forderung nach Honoraren sowie auf eine Umfrage zu den Arbeitserfahrungen von Künstler_innen mit New Yorker Ausstellungsinstitutionen.
Die Gruppe begründet in einem artforum-Interview die Beschränkung pragmatisch: „Wir haben uns einfach gefragt, was wir brauchen. Wir müssen für unsere Arbeit in Institutionen bezahlt werden. Hier gibt es ein einzelnes Ziel und wir werden solange daran arbeiten, bis wir dorthin kommen ...”
Einen Zwischenerfolg konnte W.A.G.E zuletzt mit der Durchsetzung von Künstler_innenhonoraren im Rahmen der Ausstellung „Free” im New Museum verbuchen. W.A.G.E war ursprünglich dazu eingeladen worden, sich mit „Arbeiten“ an dem Projekt zu beteiligen und schlug dem Museum stattdessen vor, im Ausstellungsbudget Honorare für alle Beteiligten vorzusehen. Nach erfolgreichen Verhandlungen, die zu einem einheitlichen Ausstellungshonorar führten, dessen Höhe jedoch nicht bekanntgegeben wurde, verlieh die Gruppe der Ausstellung die Bezeichnung „W.A.G.E Certified Exhibition”.
Dazu W.A.G.E im bereits genannten Interview: „Zwar wurde das Budget nicht offengelegt, doch intern mit uns diskutiert.(...) Was wir sahen, war auch nicht schockierend, sondern nur, was wir ohnehin wussten: Alle Lieferant_innen und anderen Freelancer_innen wurden bezahlt. Als wir sahen, dass die Zeile mit den Künstler_innenhonoraren dazugefügt wurde, realisierten wir: Da ist es, es funktioniert!”
Traditionellerweise gilt die Möglichkeit zur Kapitalisierung von Ausstellungsbeteiligungen am Kunstmarkt als Begründung für das Nicht-Bezahlen von Ausstellungshonoraren. Tatsächlich besteht bei marktfähigen Objekten noch immer eine gewisse Logik darin, das Ausstellen selbst nicht zu bezahlen, solange keine Beteiligung der Institutionen am Gewinn der Verwertungen im Umfeld oder im Gefolge ihrer Ausstellungen erfolgt. Doch gerade aus der Akzeptanz dieser Logik ergibt sich die Notwendigkeit zur Honorierung von Ausstellungsbeteiligungen, aus denen keine marktfähigen Werke oder andere konkrete Vorteile entstehen. Nicht zuletzt aus der eigenen Praxis ist dem Verfasser jedoch die Spannweite möglicher Regelungen im Einzelfall bekannt. (2)
W.A.G.E sieht die Notwendigkeit für ihre Forderung nicht zuletzt im Wegfall anderer Förder- und Sozialsysteme in den USA, die für einen gewissen Ausgleich für diejenigen sorgten, die ihre Arbeit primär im Non-Profit-Bereich präsentieren. Dies könnte erklären, weswegen es im deutschsprachigen Raum noch etwas ruhiger ist, wo für marktfernere Bereiche Förderungs- und Finanzierungsoptionen bestehen, mit denen – zumindest theoretisch – das symbolische Ausstellungskapital in realere Zahlungsmittel verwandelt werden könnte. Wer sich jedoch auf ruppigere Zeiten vorbereiten will, kann sich etwa auf der reichhaltigen Webpräsenz der Fachgruppe Kunst der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft verdi (3) mit der Forderung nach Ausstellungsvergütungen beschäftigen.
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1 Posting in diesem Forumausstellungshonorare folgerecht
ernst hilger | 02.04.2011 11:54 | antworten
während immer mehr gerade junge künstler die negativen folgen von folgerecht und ausstellungshonorar diskutieren die in der Regel immer nur die bereits etablierten künstler oder ihre erben unterstützen wäre es immer wieder sinnvoller die vielfalt öffentlicher oder semiöffentlicher institutionen zu hinterfragen und sie an ihre aufgabe der unterstützung und förderung schwieriger oder noch nicht marktaffiner kunst einzufordern ausstellungshonarare und folgerechte nehmen nur weitere mittel in beschlag die besser direkt für promotion oder ankäufe verwendet werden sollten wie überhaupt ankäufe auch aus neuen ausstellungen wie zb lebt und arbeitet in wien und andere den zeitgenössischen öffentlichen sammlungen zwingend vorgeschrieben werden sollte auf diese weise würden auch die dokumentationsaufgaben der museen im zeitüberblick sehr viel kompletter und spannender werden und auch mit kleinerem budget möglich sein dies nur zur überlegung
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