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Alexandre Cabanel - Die Tradition des Schönen: Haar und Hier

Er ist mehr berüchtigt als berühmt. Die „Geburt der Venus“, die Alexandre Cabanel 1863 im Salon ausstellte, war Napoleon dem Dritten genialische 20.000 Francs wert, dem Operettenkaiser, dessen Mätressen ihn nach Zeugnis der Goncourt-Brüder überall hin, nur nicht auf den Mund küssen durften. Napoleon verstand sich in imperatorischer Universalität, deswegen ließ er ganz offiziell einen Salon der von der Teilnahme am Salon Refüsierten veranstalten, und dort wiederum sorgte Manet mit seinem „Frühstück im Freien“ für Furore. Erst vis-à-vis der rasenden Kanonizität des beispielhaften Modernen Manet kam Cabanel zu einem späten Eintrag in die Kunstgeschichte. Heute hängt er im Orsay gleich gegenüber. Und während Manet nach drei Dekaden gerade wieder in Paris eine Retrospektive erfährt, gastiert der neun Jahre Ältere und zu Lebzeiten ungleich Geehrtere im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Präsentiert und mit einem eigenen Beitrag versehen von, es muss gesagt werden, Christian Lacroix, dem Modemacher. Die „Geburt der Venus“ ist nicht Cabanels bestes Bild. Die nackte Schaumgeborene, Anadyomene, wie die Alten sagten, liegt wie somnambulisch auf den Wellen, und es ist, da sind die Salonmaler alle gleich, als wäre sie ausgestreckt auf einem Brett. Kein Finger und kein Zeh und keine Strähne taucht ins Wasser, das Feuchte und das Fleischliche sind peinlich getrennt, sonst käme man, und der Kaiser zuvorderst, womöglich auf gewisse Gedanken. Ein paar Putti umschwirren diese Aphrodite, die Göttin sein muss, sonst wäre sie Kurtisane. Zwischen den Schenkeln ist nichts, denn wo Haar ist, das gilt wiederum generell, ist auch Hier. Eskapismus also, wohin man schaut. Doch so schlecht ist Cabanel auch wieder nicht. Er ist, mit einem Begriff des Philosophen Victor Cousin aus den Dreißigern des Jahrhunderts, als eine Art Inventur der frühen Moderne gemacht wurde, ein Eklektizist. Wenn er die Dinge vermischen darf, die Elemente und Aggregatszustände, die ihm bei seiner Venus versagt waren, wenn er hinblicken darf und Vorgewusst-Konventionelles mit den Phänomenen auflädt, die er penibel vorskizziert, bei den Porträts vor allem, dann zeigt sich, wie gut er malen kann. Wie er malen kann im Sinne jenes Wiedergebens und Nachahmens, die ihm, auch das steht den Bildern ins Gesicht geschrieben, die Fotografie bald entwenden wird. Cabanel ist, wie sein Second Empire, ein Todgeweihter. Bis zum Exitus aber gibt es Party.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Alexandre Cabanel - Die Tradition des Schönen
04.02 - 15.05.2011

Wallraf-Richartz-Museum
50667 Köln, Martinstraße 39
Tel: +49 221-221 2 11 19, Fax: +49 221-221 2 26 29
Email: wrm@museenkoeln.de
http://www.museenkoeln.de/wallraf-richartz-museum
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 22.00, Sa, So 11.00 - 18.00


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