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Razvan Botiş - Trying to purchase what I once wanted to forget: Komische Kohle

Es gibt zwei Arten von beispielhafter Not im Hinblick auf die Teilnahme am Konsum: das leere Portemonnaie und der vergessene Pin-Code. Wer keine Kohle hat oder den Zugang dazu nicht abrufen kann, wird vom wärmenden Glücksgefühl des Kaufenkönnens ausgeschlossen. „The warmer, the cosier“ sagt die Schrift an der Wand in der Ausstellung des jungen rumänischen Künstlers Razvan Botiş, und es klingt wie ein Versprechen darauf, daß die Fortpflanzungsraten im Sommer leichter zu vergrößern sind. Man könnte natürlich auch folgern, daß die Heizkostenunterstützung der Stadt Wien eine Maßnahme zur Wahrung des sozialen Friedens darstellt. Die Kohlepartikel, mit denen die Schrift aufgetragen wurde, sind liebevoll über die Umrisse der Buchstaben hinaus verwischt, sozusagen ins Weiß der Wand hineingestreichelt, und diese augenzwinkernde Zärtlichkeit ist vielleicht das verbindliche Merkmal aller ausgestellten Arbeiten. Die titelgebende Fotografie zeigt einen groben Handschuh auf einem Kartenterminal. Die leere Hülle wölbt sich schützend und unbeholfen zugleich über das blaue Plastik – das Zusammentreffen der nüchternen Bezahlstation mit dem verlorengegangenen, einzelnen Schutzanzug einer nun frierenden Hand offenbart einen komischen Moment zwischen anonymer Peinlichkeit und personengebundener Sorgfalt. Die andere Arbeit, bei der Geld auf drastische Art abwesend seine Wichtigkeit einfordert, zeigt drei Portemonnaies auf einer groben Holzplatte auf zwei Böcken. Die Börsen sind neu, leer und deswegen flach, bis sie muschelartig aufklappen und wieder zuklappen und aufklappen – „Breathing lessons“ heißt die Arbeit. Kein Fisch auf dem Trockenen könnte je so komisch sein und auf so liebenswürdige Art einnehmend bescheuert aussehen. Kryptischer erscheinen zwei Arbeiten mit Schwertern; eins bodennah auf einem weißen Sockel heißt „Don´t trust the colours“. Ledermusterstreifen in verschiedenen Farben sind mit elegantem Schwung aufgespießt: eine Analogie auf Schaschlikspieße wäre haarig, und die Frage, wer wem besser mißtraut hätte, aber sich doch engagiert und involviert hat, bleibt deutungsoffen. Das andere Schwert, prominent solitär und waagerecht auf die Wand montiert, schmiegt sich in das breite Ende einer Krawatte wie in ein genau dafür ausgedachtes Futteral. Selten wurde Skepsis gegenüber virilen Stoßbewegungen lapidarer vorgeführt. Keins der Exponate beruft sich auf ein Dogma oder fordert politisch korrekte Betroffenheitsgesten ein. Allen gemeinsam ist ein staunendes Betasten und Befragen – der Dinge, die wir kennen, die uns vielleicht bedrängen, die wir möglicherweise lieber nicht bemerken würden und die durch das Arrangement von Razvan Boti? plötzlich eine heitere Ironie freisetzen. Dankenswerterweise ist die Ausstellung bis zum 26. März verlängert und eine Katalogdokumentation in Arbeit.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Razvan Botiş - Trying to purchase what I once wanted to forget
15.01 - 26.03.2011

Krinzinger Schottenfeld
1070 Wien, Schottenfeldgasse 45
Tel: +43 (1) 512 81 42
Email: krinzingerprojekte@gmx.at
http://www.galerie-krinzinger.at/projekte
Öffnungszeiten: Mi-Fr: 15-17h
Sa: 11-14h


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