Werbung
,

Nach Demokratie: Die Sehnsucht nach dem freundlichen Diktator

Europa ist verwirrt. Bisher war die Welt so schön geordnet. Im Norden die gewohnten und guten Demokratien, im Süden die bösen Diktatoren, denen man aber praktischer Weise den Schutz der Welt vor dem politischen Islamismus andichten konnte. Plötzlich gehen aber in den Ländern Nordafrikas die BewohnerInnen auf die Straße und fordern nicht die Einführung der Schari'a, sondern schlicht und einfach ein Recht auf Demokratie und ein menschenwürdiges Leben. Das alles passiert vor dem Hintergrund sinkender Wahlbeteiligungen – der sogenannten „Politikmüdigkeit“ der BürgerInnen in der westlichen Hemisphäre und einer zunehmenden Aufweichung der Bürgerrechte durch Anti-Terror Gesetze. „Postdemokratie“ hat das der britische Politikwissenschaftler und Soziologe Colin Crouch in seinem 2005 in Cambridge erschienenen Buch genannt. Die Bürger wenden sich ab von einer Politik, die wenig selbst gestaltet und zunehmend dem Einfluss von mächtigen Lobbyinggruppierungen erliegt. Kurator Raimar Stange hat Crouchs Analyse als Ausgangspunkt für die Ausstellung „Nach Demokratie“ genommen und versucht sich anhand von neun künstlerischen Positionen diesem Phänomen zu nähern. Ziemlich auf den Punkt bringt es dabei Dan Perjovschi mit seiner 2008 entstandenen Zeichnung „Kyoto“, die klein und unprätentiös das Dilemma um das Scheitern der Weltklimakonferenz von 1997 illustriert. Die Schornsteine rauchen munter weiter, alleine schon um die Produktion jener Unmengen an Papier zu ermöglichen, die in der Zwischenzeit für die Publikation der auf diversen Konferenzen beschlossenen „Klimaziele“ verbraucht wurden. Die Protestkultur zum Vorbild nehmen sich gleich mehrere KünstlerInnen in der Ausstellung. Rirkrit Tiravanija lässt Fotos von politischen Protesten in Thailand von thailändischen KunststudentInnen abzeichnen, Anna Meyer zeigt auf ihren frei im Ausstellungsraum hängenden Folienbildern, dass auch politische Forderungen rasch zu beliebigen Spruchbändern verkommen können. Ein aktuelles Beispiel des Einflusses der Interessensgruppen auf die Politik nimmt sich Oliver Ressler zum Vorbild. Auch die weltweiten Proteste konnten nicht verhindern, dass Milliarden an Steuergeldern für die Rettung der angeschlagenen Banken verwendet wurden. Das Hauptargument der Politik – zusammengesetzt aus Fotos von Demonstrationen – prangt nun in großen Buchstaben auf der Ausstellungswand des Kunstraum Niederösterreich: too big to fail – ein Argument, das wohl auch die Politik gerne für sich in Anspruch nehmen würde.
Mehr Texte von Werner Rodlauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Nach Demokratie
14.01 - 12.03.2011

Kunstraum Niederoesterreich
1010 Wien, Herrengasse 13
Tel: +43 1 90 42 111, Fax: +43 1 90 42 112
Email: office@kunstraum.net
http://www.kunstraum.net/de
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19, Sa 11-15 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: