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Art Basel Miami Beach: Dominanz des Arrivierten

Ja, ja, ja, man muss den Mut vieler Damen, die die Art Basel Miami Beach (ABMB) besuchen, durchaus bewundern. Mit welchem Gleichmut sie die grauenvollen Spätfolgen viel zu vieler kosmetischer Operationen zur Schau tragen, mit welcher Verzweiflung sie sich in hautenge rote Kleider zwängen, für die ihr Körper schon vor zehn Jahren nicht mehr wirklich geeignet war, und mit welchen ästhetischen Fehleinschätzungen sie ein Knochenklavier herzeigen, dass sie aber eben nicht zu "Honkytonk women" macht. So sieht sie also aus, zum Teil jedenfalls, die Zielgruppe der Top-Kunsthändler dieser Welt, die sich unter der Sonne Floridas wieder versammelt haben. Ehrlich gesagt: Viel der angebotenen Kunst ist dem nicht ganz unähnlich. Zu oft gesehen, zu teuer. Nu denn, als etablierte Super-Messe ist die ABMB nicht gerade ein Experimentallabor für neue Trends. Stattdessen dominiert das Arrivierte, und das ging schon zur Vernissage ab wie Schmitz' Katze, durchaus zu siebenstelligen Preisen, ein Dorado für Investoren. Und Anleger, die Kapital langfristig sichern wollen. Aber es gibt auch Stimmen, die zur Vorsicht mahnen. So der Maler Karmelo Bermejo (bei Maistrerravalbuena aus Madrid), der ein 150x150 cm grosses Bild, reinweiss, ausstellt ("it"), auf dem der apodiktische (weil mit Punkt beendete) Satz (in schwarzer Farbe) steht: "Most artworks devalue over time." Recht hat er ja, aber das ist schon auch ordentliche Chuzpe, das auf der ABMB auszustellen. Jeder aber bleibt vor dem Bild stehen. Die Sammler haben sich, so der Trend, der sich abzeichnet, auf das Angebot an etablierter Kunst gestürzt, auch die vielen Südamerikaner, vor allem Brasilianer, die heuer schon zur Vernissage kamen (schlechter besucht als sonst, aber wahrscheinlich mehr Umsatz als in den jüngst vergangenen Jahren) und nicht erst am Wochenende. Da kommt dann wohl der zweite Schub. Vielleicht ist ja das Angebot von Thomas (München) typisch: Hier ein grosser Uecker ("Weisse Spirale / Helle Spirale") von 1970), da dreimal Warhols Mao, eine stehende Nackte von George Segal, ein Spin von Damien Hirst, ein Metallrelief von Tom Wesselmann, eine übergewichtige Akrobatin von Fernado Botero, Werke von Paul Klee, Hans Arp, Max Ernst, Chaim Soutine, Pablo Picasso - fast ein ganzes Museum. Die etablierten Kunsthändler, L+M, Landau, Acquavella, Marlborough, Gagosian und so fort, sie alle haben ein im Charakter gleiches Angebot. Das zieht. Und darauf kommt es an. Andere Trends sind etwa, dass, jenseits des Klassischen, zum Beispiel eine heftige Wiederkehr des Knallbunten feststellbar ist. Da summt, vernehmlich, vor manchem Werk die Netzhaut. Und es wird in der Kunstgeschichte herumzitiert wie bei den Altakademikern des 18. Jahrhunderts. Manchmal nur verschmockt, wie bei Yinka Shonibare (bei James Cohan), der Goyas "Schlaf der Vernunft" in C-Prints nachstellt und diesem so nachstellt und zur Strecke bringt, manchmal im positiven Sinne irritierend, wie bei den bearbeiteten Fotoarbeiten von Dorothee Golz (bei Charim / Ungar, Wien), bei denen moderne Menschen in jetztzeitigen Alltagssituationen die Köpfe von Personen aus klassischen Gemälden tragen: Das Mädchen mit dem Perlohrring schmiert sich eine Semmel. Die ABMB ist nicht wirklich eine Messe, auf der neue Künstler zu entdecken sind. Aber heuer ist es unter diesem Aspekt besser als in den vergangenen Jahren. Gar Manches im Angebot der "Postions" und "Nova"-Sektionen, sowie im Hauptangebot, ist ein echter Abtörn, aber es hat auch Witziges. So etwa Gustavo Rezende (bei Marila Razuk aus Sao Paulo, Brasilien). Rzene arbeitet mit Plasten und Elasten und lässt eine schwarze Figur platsch! in einen Kunststoffpfütze hineinspringen. So etwa das "Alien" aus Bauschaum als Bildobjekt von Jon Pylypchuk (120 cm hoch) mit Schwarzlichtbirnen als Augen (22.000 Dollar bei Snitzer, Miami). Nicht, dass alles bloss langweilig wäre. Gavin Turk bei Krinzinger gefällt (La K. hat auch Otto Muehl im Kabinett) ebenso wie Nick Cave bei Shainman aus New York. Cave macht lebensgrosse Fremdwesen, die eine sehr eigenartige Faszination ausüben. Bei Ropac (Salzburg und weltweit) hat's unter anderem eine aus 4x4 mm starken Metallstäben zusammengeschweißte "Quantum Cloud XXX", die das Prinzip der aus Wahrscheinlichkeit (-swellen) bestehenden Quantenwolken durchaus beschreibt: Diese Richtung oder jene? Je mehr ich mich mit einer befasse, desto blasser werden die anderen. Und natürlich Baselitz und Katz, Cragg und Erwin Wurm. Kewenig aus Köln zeigt die sehr eindrucksvollen, zwar eher kleinen, aber in sich sehr monumentalen Portraits von Schwarzafrikanern, die Sedon Keita aufgenommen hat. In einer konzeptuellen Klarheit, die die Farbigkeit der Gewänder im S/W klingen lässt. Eine neobarocke Prachtschau gibt es auf dem Stand von Shafrazi (New York), wo sich Robert Williams austobt. Der aus der Auto-Kunst Kaliforniens stammende, gut 60jährige Künstler erweist sich als jemand, der sich auf der Höhe des Diskurses seiner Zeit bewegt, indem er etwa Aliens als symbolische Weltschöpfer gestaltet. Ja, die Aliens - noch ein Trend! Als kleine Sensation ist der Stand von Moeller (New York und Berlin) anzusehen. er hat drei Arbeiten von Giacomo Balla dabei. Der italienische Futurist ist ein ganz seltener Gast im Handel. Sowohl der Wandschirm als auch die feuerrote Skulptur sind echte Schmankerl - genau so wie das (doppelseitige) Bild von Enst Ludwig Kirchner, "Gelbe Birken" von 1914, dass mit 4,5 Millionen Dollar zu Buche schlägt. Und noch eine Sensation: Der Stand von Gmurzunska (Zürich, Zug, St. Moritz), der von Zaha Hadid gestaltet wurde. Sie steht im Dialog mit dem Suprematismus (etwa Architekturzeichnungen von Suetin). Aber es gibt auch zwei (reservierte) Bildobjekte von Louise Nevelson. und ein grosses "Overweave" von Miro. Na kann man nicht meckern. Worum es bei der ABMB vor allem geht, zeigt sich auf dem Stand von Johann König (Berlin). Er vertritt unter anderem Alicia Kwade. Sie hat eine Tonne Briketts in Bronze giessen lassen (jetzt natürlich innen hohl) und mit 24-Karat-Blattgold überzogen. Die Euro-Palette Goldbriketts war eines der ersten Werke, das auf der Messe verkauft wurde. 2011 wird die ABMB ihr 10. Jubiläum feiern. Es wäre schön, wenn sie sich daher noch ein bisschen mehr ins Zeug legen wurde.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Art Basel Miami Beach
02 - 05.12.2010

Miami Beach Convention Center
Miami Beach, 3361 S.W. 3rd Avenue
http://arteamericas.com/


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