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Kunst- und Antiquitätenmessen in München

Monachium trismegistum Also, vorläufig wird das nichts damit, dass München als Ort für Kunst- und Antiquitätenmessen international Gewicht bekommt in einem Maße, dass man locker mit Maastricht, Paris und New York mithalten könnte. Aber die Nummer Eins in Deutschland zu sein, ist ja auch ganz nett. Warum München nicht mit einer Stimme sprechen will? Nun, zu tief sind die Gräben zwischen den einzelnen Fraktionen, wobei die „Kunst & Antiquitäten München“ („Nockherberg“), deren 83. Ausgabe noch bis einschließlich 1.11. läuft, damit nichts zu tun hat – sie spielt als Regionalmesse in einer eigenen Liga. Man ist sich, zwischen Kunst Messe München (KMM) und der in der jetzigen Form neuen „Highlights – Internationale Kunstmesse München“ (HIKM) in herzlicher Abneigung zugetan, wobei sich Wolf Krey, Organisator der Kunst Messe München ja eher friedlich gibt. Natürlich gibt er im gerichtsnotorischen Streit um die Vermietungsmodalitäten des Hauses der Kunst, das die Highlights beherbergt, nicht einfach klein bei. Das wird den Instanzenweg gehen um festzustellen, ob das Haus der Kunst die KMM benachteiligt hat, die, noch unter anderem Namen, ja zunächst an diesem im mehrfachen Sinne geschichtsträchtigen Ort stattgefunden hatte. Auf diese Geschichte – die erste KMM fand weiland im Haus der Kunst statt – wollte sich die HIKM gerne berufen, aber der Deutsche Kunsthandelsverband (DK), Eigentümer der Marke „Kunst Messe München“ stellte klar, dass die HIKM sich auf diese Geschichte nicht berufen kann. Im Gegensatz eben zur Namensträgerin im Postpalast. Ist die HIKM so viel besser, wie sie sich spürbar selbst sieht, als die KMM? Mitnichten. Ob die eine Messe eleganter ist als die andere, das ist wohl eine Geschmacksfrage. Die HIKM ist ja bei der Standmiete gut drei mal so teuer wie die KMM und verlangt eine Verpflichtung für drei Jahre. Fazit: Man hat hier zwei beinahe gleich große Messen, mit einem sich qualitativ zu etwa 90 Prozent überlappenden Angebot. In den höchsten Spitzen (aber Vorsicht, sooo spitz ist’s dann auch wieder nicht) löst die HIKM sich etwas, aber nichts, um auf die Knie zu sinken. Wobei die Frage erlaubt sein muss: Geht das überhaupt noch? Die absoluten Top-Objekte hat’s ja selbst in Paris und Maastricht nicht gerade im Überfluss. Nun ja, und so sieht man auf den Highlights gute alte Bekannte wieder, Kunstobjekte, die schon einige Zeit Messe-Erfahrung angesammelt haben. Offenbar wird selbst in den unteren Schichten des oberen Bereichs weniger gedreht als der Handel glauben machen will. Dennoch, man sollte nicht zu viel mäkeln, München hat mit den beiden ja qualitätvollen Messen, die allemal eine Reise wert sind (deswegen sollten sie gleichzeitig, wenigstens überlappend stattfinden) und dem überaus interessanten „Unterbau“ der Veranstaltung am Nockherberg eine Vormachtstellung in Deutschland erreicht. Das wird einige Zeit so bleiben. Wenn in fünf Jahren oder so andere Situationen entstehen, werden die Karten wieder neu gemischt. Jedenfalls bleibt es spannend. Zunächst zur KMM. Die Atmosphäre sehr schön, das Angebot sehr gut (das meiste durchaus Maastricht-fähig), die Verkäufe zum Teil phantastisch (manche, freilich, konnten nicht so stark punkten, was aber auf allen Messen dieser Welt der Fall ist). „Die Messe war gut. Hier herrscht auch ein kollegiales Miteinander. Auch die Größe ist sehr angenehm.“ Das sagte Stefan Brenske (München, Zürich) dem artmagazine. Er konnte zufrieden sein, denn die eine oder andere Ikone wanderte ab. Er hatte da auch einiges zu bieten, etwa eine sehr rare Stifterikone mit zwei Bojaren (Russland, 1823), die, ebenfalls selten, die Dreifaltigkeit ein einem Tisch zeigt, eine Brotzeit zu sich nehmend. Das Thema der drei Engel am Tisch Abrahams spielt auf das Pfingstfest an. Die meisten Angebote bewegten sich hier preislich zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Bei Steinbeck (Aachen) gab es einen nicht oft produzierten Tafelaufsatz für „Süßes“ (Marmeladen und Fruchtgelees, Honig und Crèmes) aus Meissen (meistens sind die Aufsätze für Saures und Scharfes). Andere Raritäten hier: Eine Schwanenservice-Platte (Meissen, eine Böttger-Kanne mit Chinesen in Gold. Erweiterung des Abgebots: Uhren mit Gehäusen und Dekor aus Porzellan. Neuhaus (Würzburg) konnte unter anderem überzeugen mit einer Madonna mit Kind und Stieglitz vom Pseudo-Pierfrancesco Fiorentino (um 1450). Ein Granatapfel ist auch zu sehen, ein mit Maria zusammenhängendes Symbol für die Kirche. Es ist aber auch eine Madonna im Rosenhag, nur dass die Rosen alte“ Rosen, Wildrosen sind. Auch Michael Nolte (Münster), der im November eine Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet, meinte: „Wir haben eine Super-Messe gehabt.“ Das gewohnt qualitätvolle Angebot von Möbeln und Uhren kam gut an. Erfolg auch für einen sehr ungewöhnlichen Rechteck-Schalen-förmigen Teetisch aus Fayence mit Grisaille-Dekor (77x93x65, Rörstrand um 1770) bei Viebahn (Worpdswede) und für den österreichischen Teilnehmer Walter Moskat (Wolfurt), der eine Gemälde von Alfons Walde für mehr als 300.000 Euro verkaufte. Gut im Geschäft auch Georg Britsch jun. aus Bad Schussenried. Zwei Glanzlichter hier: Eine Kindferidylle von Josef Zink (1872) mit einem bonfortionösen Rasenstück im Vordergrund, und, für 68.000 Euro, ein Dannhauser-Tisch (250x120). Schepers (Münster) mit seinem feinen Silberangebot konnte ebenfalls punkten. „Wir haben alle Katalogstücke verkauft. Wir beobachten einen ungebrochenen Trend zu den Sachwerten, wir verkaufen auch größere Stücke im fünfstelligen Bereich.“ Aber auch für eine Stelle weniger gibt es Gutes, etwa einen etwa 40 cm im Durchmesser großen silbernen (1260 g) Platzteller aus der Zeit Georgs III., von Thomas Crouch und Th. Hammard für 4.800 Euro. Senger (Bamberg) meinte: „Die Dreiteilung der Messen wird erst einmal bleiben. Eine gemeinsame Messe wäre vielleicht auch zu groß – und ermüdend.“ Er findet, dass Skulpturen wieder verstärkt Freunde finden, seine Verkäufe scheinen das zu bestätigen. Die „Bamberger“ sind ja die Spiritus-Rektoren dieser Messe, und waren alle zufrieden, Härtl („Wir sind gut zurecht gekommen“) ebenso wie Ch. E. Franke („sehr zufrieden, gute Stimmung“). Gut zu verstehen beim Verkauf einer Waldecker Stiftertafel (Relief in original erhaltener farbiger Fassung (1530). Bei den Asiatika stahl der Buddha aus Birma die Schau. Aus dem 17. Jahrhundert stammend, belebte er den Stand von Peter Hardt aus Radevormwald. Und bei Gackstätter (Frankfurt am Main) gaben sich, für 7.500 Euro Bronze-Eroten aus dem ersten bis zweiten Jahrhundert (nach) ein Stelldichein. Für Neueres ist zum Beispiel Schwarzer aus Düsseldorf zuständig, etwa mit dem maskenhaften „Porträt eines Arztes“ (80x60, 1942 vom Joseph Scharl, seltenst, daher 40.000 Euro plus). Summa summarum eine sehr gute Messe. Im nächsten Jahr wird sie wohl parallel mit der Munich Contempo stattfinden – auch keine schlechte Idee. Und, wie sah es im Nazi-Protzbau, vulgo Haus der Kunst, aus? Für „K0B“, Konrad O. Bernheimer (mit Colnaghi und Katrin Bellinger; unter anderem Bilder von Cranach) ist es vielleicht ein ultimativer Triumph, dass er seine Messe in dieser Architektur untergebracht hat, denn dass die HIKM „seine“ Messe ist, daran kann kaum ein Zweifel bestehen. Dass sie ebenfalls qualitativ praktisch ohne Fehl und Tadel ist, versteht sich auch fast beinah von selbst. Schon bei der Vernissage wurde ordentlich Umsatz gemacht, was unter anderem Aussereuropäische Kunst Dierking (Köln) und Standmitbetreiber Florian Sundheimer (München) bestätigten. Überhaupt werden auf der HIKM Kooperationen groß geschrieben. Man merkt gar nicht, ob man noch bei Steinitz (Paris; setzt den „goût Steinitz“ von Papa bruchlos fort) auf dem Stand ist oder schon bei Röbbig (man merkt’s nur am berüchtigten Röbbigschen Maschendrahtzaun, hinter der man dort die Objekte gefangen hält, gleich als wären es Hühner oder Karnickel). Gordian Weber (Köln) prunkt mit einer Bastet (Katze) der 26. Dynastie (685-525 vor) und hat sein Angebot um Faustkeile (alleredelste Provenienz) erweitert. Cahn (Basel) hat eine superschlanke hellenistische Aphrodite des zweiten Jahrhunderts, die beweist, dass auch Schlankheit ein uraltes Schönheitsideal ist. Ansonsten liegen die Knüller dieser Messe eher im 19. Und 20. Jahrhundert. So bei Thomas LeClaire (Hamburg) der Horst Janssen wieder hoffähig macht, und der auch eine große Zeichnung der Riepenhausens hat; so bei Frank C. Moeller (Hamburg), der ein stimmungsvolles Gemälde von Leo von Klenze (1834) anbietet, „Blick auf Atrami bei Amalfi“; so bei Martin Moeller (Hamburg) mit den Aquarellen von Menzel (zwischen 24.000 und 45.000 Euro). So bei Wienerroither und Kohlbacher (Wien), die hellauf begeistert sind von der Messe. Sie haben großartige Schiele-Zeichnungen (Frage: gibt es Schiele-Zeichnungen, die nicht großartig sind?), haben George Grosz und ein Gelmeroda-Aquarell von Feininger. Die Galerie Johannes Faber (Wien) kann stolz sein auf die Fotos von Horst, Weston, Kértesz, auch Vintages dabei (Westons Akt im Sand für 55.000 Euro). Die Ikonen von damals sind so begehrt, dass man schon für spätere Abzüge 10.000 Euro zahlt. Weber-Unger mit seinen Kabinett-Stücken bietet ganz Besonderes mit einer runden (!) Daguerrotypie, auf der Maximilian Joseph, Herzog in Bayern, auf einem Sessel von Leo von Klenze sitzend zu sehen ist (Durchmesser 9,8 cm; 1841). Begeistert äußerte man sich auch bei Schlichtenmaier (Schloss Dätzingen), wo Willi Baumeister gleich reihenweise hängt, dazu K. O. Götz, der noch unterbewertete Peter Brüning, Emil Schumacher. „Eine Super-Messe.“ Nun gut, weit weg davon ist die HIKM nicht. Wer Zeit hat, der sollte unbedingt zum Nockherberg fahren, denn dort gibt es all die kleinen netten Sachen, mit denen sich die „großen“ Messen nicht befassen (können). Eine Besucherin aus Cleveland (Ohio) meinte: „Hier geht es echt um Leben, Liebe, Tod und Teufel.“ Nicht von der Hand zu weisen, denn Totenköpfe hat’s hier viele, dazu mehrfach den Teufel als Kleinbronze. Oder die hübschen Kistchen und Reiseschreibschränkchen (The Box Shop, Berlion). Aber auch Karlsruher Majolika, so einen „Widder mit Obst und Blütenkorb“ (Emil Schaudt, um 1913; retep-limes, List/Sylt) oder einem mit Schildpatt versehenen italienischen Tabernakelschrank des 17. Jahrunderts für 49.000 Euro (bei Reinhold Bürgerhausen aus Aachen). Ja, ein dreifach „Vivat!“ den Münchner Messen.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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