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Udo Lindenberg: Tuttelntäteretää und Neidbefreiung

Wie kann ein erfolgreicher Künstler außerhalb persönlicher Fehltritte, die in der Klatschpresse breitgetreten werden, statt Neid Mitgefühl erregen? Erfolg weckt Neid, Misserfolg hingegen Mitgefühl; aber wie erfolgreich bleiben und dennoch nicht der Mißgunst ausgesetzt sein? Wenn man sich die aktuelle Ausstellung von Udo Lindenbergs Aquarellen und Acrylbildern in der Galerie Augustin angesehen hat, kann man erleichtert feststellen, daß es einen Ausweg aus dem Dilemma gibt: man wechselt die Disziplin. Als Maler ist Udo Lindenberg nicht verpflichtet, gut zu sein, denn das Gut seiner Malerei ist seine persönliche Signatur. Wäre Lindenberg ein guter Maler, müßte man ihn doppelt beneiden. Seine Bilder jedoch erlauben die Betrachtung, daß malende Musiker vielen Clichés ein weites Feld voller Möglichkeiten bieten. Zum Beispiel das Cliché von melonengroßen Brüsten und ihrem inspirativen Vermögen; so sind auch die Bilder „Meine Klavierlehrerin“, von denen es gleich drei sehr ähnliche Fassungen gibt, von euterähnlichen Oberweiten nicht ausgenommen. Weiters findet sich prachtvoll das Cliché des unersättlich weiblichen Objekts in der Kunst – stilfüllig mit den erwähnten großen Tutteln und einer beständig vorhandenen weiblichen Geilheit, und die Kopulation in „Bei der Arbeit“ schürt Mitgefühl, wie schwer es für Männer sein kann, mit diesen heißen Spalten zurechtzukommen. Cliché Drei: was man nicht malen kann, kann man locker ins Bild schreiben. Nur Erbsenzähler fragen, wieso ein Bild ein Bild sein will, wenn es doch gleich aussieht wie ein Cartoon. Cliché Vier behandelt die Fragen nach Bildraumerfindungen, Proportionen und Farbkörpern ebenfalls als Angelegenheiten dämlicher Korinthenkacker und besagt, daß ein wahrer Künstler auch imstande wäre, das Rad nochmal zu erfinden. Cliché Fünf handelt von der Fähigkeit des Alkohols, den Blick auf die Realität erst richtig zu schärfen. Am besten wird dieser Alkohol dabei in einem stilvollen Kelchglas präsentiert und hoch über dem Kopf geschwenkt, damit klar ist, daß es sich nicht um eine billige Bierdose handelt. Cliché sechs handelt davon, daß die Präsenz des Künstlers bis auf bei X-mas-Bildern unverzichtbar ist im Werk, und wenn es sich dabei um eine flach gezeichnete, nicht besonders hübsche Figur handelt, kann man auch Selbstironie und geringe Eitelkeit attestieren. Auf breitgepinselte Clichés neidisch zu sein wäre unverhältnismäßig, und das macht die Schau von Lindenberg so befreiend und erkenntnisexzessiv, wie auch der Text auf der Einladungskarte schonungslos verspricht. Wer mal wirklich neidisch sein will auf gute Malerei, muß sich wohl doch auch weiter mit dem Kunsthistorischen Museum zufriedengeben, kann sich aber auch da noch damit trösten, daß die Maler im Kunsthistorischen Museum vielleicht neidisch auf erfolgreiche Musiker gewesen sind. Wir warten gespannt auf die Bilder von Lady Gaga.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Udo Lindenberg
05 - 27.11.2010

Galerie Augustin Lugeck
1010 Wien, Lugeck 3
Tel: +43 1 512 62 70, Fax: +43 1 512 62 70
Email: wien@galerie-augustin.com
http://www.galerie-augustin.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-13, 14-19, Sa 11-14 h


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