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Herbert Brandl - Blade Flow: Freiheit von Nötigung

Kann ein künstlerisches Medium, das heute eher altmodisch erscheint, weil es einer bürgerlichen Kultur entstammt, diesem unterschwellig miefigen Aspekt entkommen und jenseits von Notwendigkeit eine Freiheit postulieren, die mehr ist als Augenauswischerei? Gibt es Kunstwerke, deren Drall an uns eine Erleichterungserfahrung bewirkt, ähnlich dem Gewichtsverlust, den man erfährt, wenn man sich von Wasser tragen läßt oder auf dem Mond spaziert? Die Malerei von Herbert Brandl ist derzeit mit mehreren Ausstellungen in Wien präsent – die malerischste Show findet sich in der Galerie Nächst St. Stephan und ist betitelt mit „Blade Flow“. 13 Bilder ohne Titel, 12 aus diesem Jahr, in variablen Formaten riechen erfrischend nach Firnis. Sie handeln nicht von Bürgertum, sondern von Farben und Bewegungen, breiteren oder weniger breiten Pinseln und entfernt von Verweisen auf Landschaft. Der Pressetext zur Ausstellung offeriert das schöne Wort „Sfumato“, eine Technik von wabernder Verwischtheit, mit der da Vinci den Hintergrund des Portraits der sogenannten Mona Lisa in jene traumwandlerische Sphäre entrückte, die ihr Lächeln zu einem so ungewiss erotischen Moment macht. Vor Farben und Bewegungen wird Sprache schnell arm und holzig. Ein Bild in verschieden dicken chromoxidgrün-feurigen Farbschichten, das in treppenartigen Intervallen von links oben nach rechts unten gemalt zu sein scheint, fühlt sich verbal dürr bis anorektisch an gegenüber dem optischen Ereignis, das es bietet. Die Farbe fließt nicht, sondern wird gesetzt, die Setzung ist nicht mechanisch, sondern leibhaftig, und warum der Rhythmus dieser Setzung sich hier unterbricht und nach rechts oben ausweicht oder dort fortsetzt und kaskadenartig bis zum unteren Bildrand weitergeführt wird, entzieht sich dem sprachlichen Begreifen. Was sich sprachlichem Begreifen entzieht, kann entweder für irrelevant oder für sinnlich endlos gehalten werden. Wer sich für die zweite Variante entscheidet, hat es meistens mit Kunst zu tun. Kunst ist nicht frei von der Notwendigkeit, den Künstler ernähren zu sollen. Wohl kaum ein Maler würde verweigern, eines seiner Bilder in die Vorstandsetage von BP hängen zu lassen, suggestiv vorausgesetzt, die Firma überweist pünktlich. Die Manager von BP würden kaum in läuternde Tränen ausbrechen und für die nächste Ölplattform Hochsicherheitsvorkehrungen treffen, weil sie jeden Tag an einem Bild von flammendem Grün vorbeigehen. So gesehen ein zynischer Zirkel, in der die Freiheit des verwischten nichts-bestimmtes-Bedeuten verantwortungslos und luzid-naiv scheint. Aber ein flammendes Grün kann trösten. Umso mehr, weil die Malerei frei sein darf vom Anspruch, höhere Sicherheitsvorkehrungen auf Ölplattformen bewirken zu müssen. Weil die Malerei frei sein darf davon, etwas sagen zu müssen über das, was getan werden muß oder schiefgegangen ist. Weil die Malerei uns freuen kann, sinnlich endlos und endlos unbegreiflich, und es ist sehr angenehm, das so zügellos studieren zu können wie derzeit in der Galerie Nächst St. Stephan.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Herbert Brandl - Blade Flow
03.11.2010 - 08.01.2011

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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