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In der Garküche des Kaum

Kaum einmal in unserer Welt kommen Männer nicht vor. Wollte man sich die Welt ohne Männer vorstellen, könnte man auch an etwas so Absurdes wie Straßen ohne Autos denken. Autoverlassen würde all der Zement auf den Trassen der Autobahnbrücken kaum aufregend wirken. Das, was selten ist, kann verstören, wenn man zuviel davon hat. Frauen ohne Männer sehen allerdings besser aus als Autobahnen ohne Autos. Frauen gehören zu den Geschöpfen, die andere anlocken können, und isoliert von Männern lassen sie sich exklusiv besser betrachten – und noch exklusiver in den monumental inszenierten, malereiopernhaften Filmbildern des am 10. September in Österreich angelaufenen Films der exilierten iranischen Künstlerin Shirin Neshat. Bei „Women without men“ handelt es sich um vier Protagonistinnen. Sie treten kammerspielartig auf, die Männer bleiben am Rand und werden nicht persönlich. Keine der vier Frauen ist blond. Es gibt im ganzen Film überhaupt nur eine blonde Frau, sie ist Amerikanerin und besucht eine Party in einem Obstgarten in der Nähe von Teheran im Jahr 1953. Die blonde Frau spielt keine besondere Rolle außer der, blond und Amerikanerin zu sein – selten konnte man das Cliché der Blondine knapper gefaßt sehen. Der Obstgarten spielt eigentlich heimlich die Hauptrolle. In ihm findet nicht nur die Party am Schluß statt, sondern auch einTeich, auf dem schwimmt viel Grütze und im  vielleicht entzückendsten Moment  des Films schwimmt zwischen all der Grütze eine junge Frau, die grade ihrer Puffmutter durchgegangen ist. Manch einer kennt John Millais` Ophelia, manch einer liebt mehr Baywatch, aber Frauen und Wasser sehen kaum je nicht gut aus, und bei Shirin Neshat ist die Frau im Wasser ein magischer Moment. Die Prostituierte desertiert von ihrem Arbeitsplatz, scheuert sich im öffentlichen Bad blutig und landet im Teich im Garten, wo sie zwischen der Grütze Wasser tankt, bis sie von der Besitzerin des Gartens, einer enttäuschten fehlverheirateten Generalsgattin entdeckt  und geborgen wird. Der Film ist keine Komödie und kühlfärbig. Die Protagonistinnen sind lose miteinander verknüpft, aber die meisten Bilder zeigen je nur eine Frau. Es werden keine Witze erzählt. Die Frauen sind nicht die Opfer im Film, und die Männer sind es auch nicht. Die Menschen sind Opfer ihrer Zeit, ihrer Gespräche, ihrer Eltern, ihrer Sorgfalt füreinander: von all diesem handelt der Film auch. Die mutmaßliche Fadesse der Autobahn ohne Autos wäre von obszöner Größe. Die Traurigkeit der Frauen ohne Männer bei Shirin Neshat ist viel obszöner. Man könnte folgern, die Liebeserklärung, die damit den kaum anwesenden Männern gemacht wird, sei wirklich enorm und wichtig, gesehen zu werden.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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