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Joseph Beuys. Parallelprozesse: Ohne Nachdenken einfach ablegen

Die Kunst des Joseph Beuys findet 2010 im Saale statt. Der in Düsseldorf lehrende Kunst-Umdenker (1921 –1986), bald schon von dem damaligen Ministerpräsident Johannes Rau von der Kunstakademie gejagt, bezog dies provozierend auf die hochpolitisierte Kunst der 1970er Jahre. Der Museumsboom hat der Kunst im Laufe der 1980er Jahren ein schickes Lifestyle-Outfit verpasst. Längst ist die Kunst nicht zuletzt auch zu einem festen Etat-Posten in der Anlagestrategie vieler Unternehmen geworden, darunter auch manch wertgesteigertes Beuys’sches Kunstgut. Das hat ihr, der Kunst, genutzt, das hat ihr geschadet - Beuys wurde allerdings im deutschen Nachwende-Zeitalter, angefangen vom Kunstmarkt bis zu den kunsttheoretischen Diskursen, zunehmend vernachlässigt. Und selbst Marion Ackermann, neue Direktorin der gewichtigen Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, machte erst kurz vor dem Tod des Künstlers ihr Abitur, hat also den vor allem aktionistisch agierenden Künstler nicht mehr bewusst leibhaftig erleben können. Die Zeiten stehen also auf Neuentdeckung eines Vergessenen, dies aber vor allem als Vermittlungsaufgabe für eine ganz anders getaktete junge bis jüngere Generation. Diese etwa habe zunächst über das Anglerjacken-Outfit des Künstlers den Beuys-Einstieg gefunden, wie Marion Ackermann nicht unamüsiert im Gespräch über aktuelle Erfahrungen berichtet. Denn die Düsseldorfer Zeiten stehen auf „Quadriennale“, nun schon zum zweiten Male nach 2006. Der verstorbene, fraglos clevere Oberbürgermeister Joachim Erwin erfand die „Quadriennale“ im schuldenfrei dastehenden Düsseldorf, nicht zuletzt als attraktive Kunst-Kampfansage an jegliche meist allzu verwalteten Kulturhauptstadt- Bemühungen (siehe aktuell Ruhr2010). Zudem bildet das Ganze ein relativ risikoarmes Gewinnspiel zwischen Stadtmarketing und Kulturtourismus, das Düsseldorf sich auch 2010 wieder fünf Millionen Euros kosten lässt, verteilt auf mittlerweile zehn Kunstinstitute. 2006 kamen rund 380 000 Besucher zu sechs Düsseldorfer Ausstellungsevents, da noch geprägt von einer Allerlei-Mentalität zwischen Francis Bacon und Caravaggio. Aber „Quadriennale“ bedeutet 2010, mottomäßig etwas bemüht verschlagwortet, „kunstgegenwärtig“. Zum Pressekonferenz-Auftakt durfte der kunstmental sicherlich eher zurückhaltend strukturierte neue Düsseldorfer OB (Oberbürgermeister, Anm.) Dirk Elbers das zeitgeistig gepimpte Nietzsche-Wort in den Vermarktungs-Orbit schicken: „ Alle Kunst will Gegenwart“ – dies übrigens auf Stichwort der von den Düsseldorfern für eine wohl eher unterbelichtete Info-Veranstaltung angeheuerten Moderatorin Luzia Braun, indes fernsehbekannte aspekte-Redakteurin. Da hörte man etwas von „reich und sexy“ und der OB-bestätigten Aussage: „Kunst ist der Kölner Dom von Düsseldorf“. Nun denn, auch der Letzte suchte an dieser Stelle die heilende Erkenntnis in der Kunst sozialen Handelns eines Joseph Beuys. Und die feiert sich heuer als genuin Düsseldorfer Avantgarde-Phänomen der 1960er bis 1980er Jahre, dabei unterstützt von einem satten Galerien-Programm , vor allem aber von Kunstbrüdern im Geiste, wie Beuys’ Fluxus-Mitstreiter und Videokunst-Papst Nam June Paik im Museum Kunst Palast und Marcel Brodthaers in der Kunsthalle. Wobei es dort eher um Korrespondenzen mit der Gegenwart geht, etwa mit Tacita Dean, Stephen Prina oder Henrik Olesen. Und schließlich signalisiert die aktuelle Gegenwart auf breiter gesellschaftlicher Ebene genügend Probleme - weshalb also nicht wieder eine Kunst, die mehr provoziert und agitiert und eben nicht mehr überwiegend illustriert? Abwarten, was Düsseldorf vielleicht auslöst. Das dazu passende expositorische Auge des Vulkans bildet die Joseph Beuys-Werkschau in K20 mit „Parallelprozesse“. Marion Ackermann ist auf 3000 Quadratmetern ein heilsam entschlackter, entmythologisierter Blick auf 300 Werke des Schamanen Beuys gelungen, weit diesseits vom Apostel-Gehabe für eine in-group. Kunst ist für Beuys immer ein Parallelprozess aus Kunst, die auf Lebensprozesse einwirkt und umgekehrt. Kunst kann eben auch soziales Handeln werden - und wenn Beuys kam, war Aktion, ergo Kunst. Ackermann zeigt bewusst: wenn man Beuys installiert, wird man selbst wieder zum Künstler. So etwa die documenta-bekannte „Honigpumpe“, die Beuys eben „ablegte“, um sie an anderem Ort wieder in eine neue Form zu bringen - was die unterschiedlichen Film- und Foto-Dokumente, nicht minder die Anordnungen in verschiedenen Museen belegen. Beim legendären Objekt-Brocken „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ verfuhr Ackermann, hinsichtlich der Boden-Einzelteile ähnlich: „ Ich habe den Handwerkern und Restauratoren gesagt: ohne Nachdenken einfach ablegen. Das ist Beuys’sches Prinzip“.
Mehr Texte von Roland Groß

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Joseph Beuys. Parallelprozesse
11.09.2010 - 16.01.2011

K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
40213 Düsseldorf, Grabbeplatz 5
Tel: +49-211- 8381-130, Fax: +49-211-8381-201
Email: info@kunstsammlung.de
http://www.kunstsammlung.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 h


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