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Angeschwärzt und durchgebissen

Leute, die in ihrem Lebenslauf „Freundschaften“ mit prominenteren KollegInnen anführen, müssen einem eigentlich von vornherein suspekt sein. Was soll denn das für ein amikales Verhältnis sein, wenn man zur Anhebung der eigenen Bedeutung damit prahlen muss? Dass sie mit Katharina Sieverding befreundet war, teilt etwa eine Künstlerin aus Düsseldorf mit, die derzeit das dortige Gericht beschäftigt. Auch Jörg Immendorff lernte sie irgendwann mal kennen, führt sie auf ihrer Website an. Die Kreativität der Malerin (Spezialgebiet: weibliche Waden) beschränkt sich jedoch nicht auf die Nennung tatsächlicher oder angeblicher Freunde, wenn es drum geht, sich wichtig zu machen. Jüngst verklagte sie Carlo Schröter, der einst gemeinsam mit Daniel Spoerri die Eat Art Galerie führte; dieser habe nämlich falsche Angaben über die Urheberschaft einiger Kaugummibilder gemacht. Die Werke seien nicht François Morellet zuzuschreiben wie kürzlich bei einer Ausstellung geschehen, sondern ihr selbst, behauptete die Künstlerin. 1971 nämlich schwärzte die angebliche Sieverding-Freundin in ihrer damaligen Funktion als Galerieassistentin auf Anweisung Morellets die Bildträger und klebte ein paar mehr oder weniger benutzte Kaugummis drauf. Aber wie! Nämlich nicht so, wie vorgeschrieben, sondern mit Abweichungen! Die hat sich damals echt selber was überlegt beim Kaugummikauen, -beißen und -picken. Das Gericht muss sich jetzt mit der Frage beschäftigen, ob das eigenmächtige Arrangieren des trashigen Materials eine schöpferische Leistung darstellt oder nicht. Also ob man, wenn man etwas nach Vorgabe macht, aber minimal variiert, selber die Urheberin ist. Sogar einen Gebiss-Abdruck ließ die Betreffende vorlegen. Wie ist eigentlich die (deutsche) Gesetzeslage beschaffen, dass Derartiges überhaupt bis in den Verhandlungssaal gelangen kann? Und wie verzweifelt muss eine Künstlerin sein, um sich selbst auf derart peinliche Art zu exponieren? In Zeiten von Google, in denen jegliche Bildproduktion nonchalant weiterverwurstet werden kann, mutet ein Urheberrechtsstreit dieser Ausrichtung ebenso bizarr wie archaisch an. Es gäbe weiß Gott dringendere Fragen zu klären.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Schöpfungshöhe
Ingeborg Knaipp | 30.08.2010 04:50 | antworten
Nicht nur die Gesetzeslage und die Künstlerin selbst spielen eine kuriose Rolle in diesem Fall, auch die Kunstwerke selbst. Die Kunst hat jenen Raum eingenommen, der von der Religion verlassen wurde, und daher haben wir es mit Dogmen, Heiligen, Ketzern und Ketzergerichten, Schriftgelehrten, Blasphemien und hysterischen Verzückten zu tun. Die Künstlerin K.K. möchte halt dazugehören, ist aber Studienrätin für Kunst und Englisch geworden, wie ihre Website unter anderem verrät. Das ist traurig. Traurig sind aber auch die Kunstwerke, von denen hier die Rede ist – kostbare Reliquien, deren Berührung Gesundheit, Ansehen und Seelenheil spenden sollen, in Wahrheit sind es aber nur Kaugummis auf schwarzer Leinwand, und nicht einmal, wie die Zehennägel, eingetrockneten Präputien und gebrauchten Windeln des Jesuskindleins aus den kirchlichen Schatzkammern und die Narwalzähne, Alraunwurzeln und Schnitzereien aus Kirschenkernen der Wunderkammern mit kostbaren Schreinen und Futteralen umgeben. So geben auch die Reliquien der Kunstreligion Auskunft über die Gesellschaft, die vor ihnen ihre Gebete verrichtet: sie ist eine Gesellschaft von Mutlosen, Zynikern und Neurasthenikern, denen man alles vorsetzen kann, egal was.

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