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Sex ist weiblich, Altern ist weiblich

Die drei Männer amüsieren sich sichtlich prächtig. Sie lungern am Boden herum – zwischen drei Akten, die modelmäßig gelangweilt ihre Nase in die Luft recken. Deren Körperproportionen sind teilweise falsch, das ist wohl der Schmäh dieser Arbeit des chinesischen Künstlers Wang Du. Es muss in der Kunsthalle Krems irgendjemand beschäftigt sein, der mit einem recht zweifelhaften Geschmack ausgestattet ist. Das Foto mit den drei Herren und Damen nämlich wurde nämlich ganz offensichtlich nicht nächtens nach reichlich Alkoholgenuss geschossen – und dann an Freunde mit Hang zum derben Herrenwitz gemailt, wohlweislich bedacht darauf, dass Kolleginnen oder Partnerinnen von dem lustigen Treiben nichts erfahren. Im Gegenteil: Der Link dazu wurde an Medien sowie via OTS an andere, die diesen Dienst abonniert haben, geschickt. Grund der flächendeckenden Beglückung: Die Kunsthalle Krems wollte ihre Ausstellung „Lebenslust & Totentanz. Olbricht Collection“, die unlängst eröffnet hat, promoten. Das Bild erinnert unweigerlich an die New Yorker Guerilla Girls, die in den späten 1980er-Jahren ihr berühmtes Plakat verteilten, auf dem sie die simple Frage stellten: „Do women have to be naked to get into the Met Museum?“ Darunter präsentierten sie nüchternes Zahlenmaterial: bloß drei Prozent der Künstler/innen in der Moderne-Abteilung seien Frauen, aber 83 Prozent der Akte weiblich, schrieben sie in fetten Lettern auf ihr Poster. Ein Blick in den Ausstellungskatalog von „Lebenslust & Totentanz“ bestätigt die schlichte Sichtweise, die schon das Foto suggeriert. Das Kapitel „Sexualität“ wird – neben zwei Paaren beim Sex, selbstverständlich ist dabei mehr Frauenfleisch zu sehen – ausschließlich von weiblichen Akten illustriert. Dass die meisten davon auf Pornografie anspielen, provoziert die Frage, warum Sexualität denn immer mit diesem eh schon recht – haha! – ausgelutschten Thema assoziiert wird. Sex bedeutet also Frau und Porno. Ebenso scheint das Altern den weiblichen 55 Prozent der Weltbevölkerung vorbehalten zu sein. Das Kapitel „Jugend und Alter“ wird nämlich ebenfalls ausschließlich von Frauen bestritten: junge Ladies beim Schminken, alternde Schwestern, die faltenzerfurchte Fotografin Lotte Jacobi. Man fühlt sich an Hans Baldung Grien, an Albrecht Dürer erinnert – und auch in deren Zeitalter zurückgebeamt. Natürlich: Es handelt sich bei dieser Ausstellung um eine Sammlungspräsentation – und der Sammler besitzt nun mal diese Werke. Aber müssen im 21. Jahrhundert wirklich noch immer ausschließlich Frauen für die Themen Altern und Porno herhalten?
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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