Rainer Metzger,
Sammler 1
Das Englische unterscheidet beim Sammeln zwei Begriffe, das Collecting und das Gathering. Während jenes die räsonnierend-detektivische Suche nach dem einen unbedingten Exponat, das fehlt, in den Mittelpunkt stellt, beinhaltet dieses eine Option auf Wahllosigkeit oder zumindest auf eine Nonchalance, die davon ausgeht, dass unter dem vielen, das man erwirbt, schon das Richtige mit enthalten sein wird. Rudolf Leopold, der soeben verstorbene Groß-Acquisiteur von Kunst aller Art, hielt zwischen den beiden Polen so ziemlich die Mitte. Ein An-Sich-Raffer erster Ordnung ist demgegenüber Karlheinz Essl, der Leopold den Rang streitig macht, der wichtigste Österreicher zu sein, der sich mit Bildern umgibt. Doch wäre da noch ein Dritter, ein Collector exquisiter Art, der sich in das Geschäft des Erwerbs von Ware aus dem Wien um 1900 mit Leopold teilt, aber auch international agiert und zwar bei Gegenwartskunst (Wien um 1900 zu sammeln ist ohnedies keine nationale Marotte, sondern, wenn schon, eine metropolitane). Nachfolgend Auszüge aus einem Gespräch, das ich vor einigem Jahren mit diesem Sammler, der auch ein geschätzter Experte zum Jugendstil ist, geführt habe. Ernst Ploil über seine und seinesgleichen Mentalität. Da Ploils Bemerkungen doch tief blicken lassen, soll er ausführlich zu Wort kommen. Deshalb hier einmal Teil eins.
Herr Ploil, Sie wissen wie das ist mit den Kindern, die sich stets um ein Spielzeug balgen werden, auch wenn es deren Dutzende gibt. Ist dieses infantile Prinzip nach Ihrer vielfältigen Erfahrung auch das kollektive, das kollektionäre?
Ich mache Erfahrungen als Sammler, ich mache Erfahrungen als jemand, der im Auktionshaus einkauft, und ich mache Erfahrungen als für ein Auktionshaus Tätiger, als Experte. Als Sammler kenne ich den Mechanismus längst: Sehr interessant ist ein Objekt dann, wenn es heißt, der Herr X ist auch bereits dahinter her, und es ist ein uralter Händlertrick, einen vermeintlich Unentschlossenen zum Kauf zu bewegen, indem man ihm fremdes Interesse vorgaukelt, am besten noch das Interesse einer Berühmtheit oder am allerbesten das Interesse eines als Rivalen Gedachten. In Österreich war das natürlich lange Zeit Rudolf Leopold. Wenn man zu mir sagte, der Herr Professor Leopold will das Stück schon lange, hat mich das früher in Furcht und Unruhe versetzt. Es setzen also Mechanismen ein, höchst menschliche und leicht durchschaubare. In der Auktion potenziert es sich dann, denn man muss schnell sein. Man kann weniger darüber nachdenken, man handelt spontaner und eben auch kindlicher. Und damit ist dieses kindliche Gefühl des Neides noch viel geweckter. Am besten aber kann ich es wirklich als Experte beobachten. Woher, so habe ich mir nach den Erfahrungen im Auktionsaal die Frage gestellt, kommt es, dass man sich zwar einerseits bestimmte Limits setzt, beim Bieten dann aber weit darüber hinaus geht? Woher kommt es, dass man sich dabei ertappt, das Doppelte geboten zu haben, und dann von Glück reden kann, dass man das, wofür man das Doppelte geboten hat, doch nicht bekam? Heute weiß ich, es ist zutiefst kindlich.
Ernst Ploil bei der Verleihung des "OscART 2007"
Ist das Objekt, das Kunstwerk also in letzter Konsequenz tatsächlich weniger interessant als der Mechanismus dessen, dass man es an sich bringt?
Für jemand wie mich, der auch für ein Auktionshaus arbeitet, wäre die Konsequenz zunächst, alle Leute in die Auktion zu schicken. Bei jemandem, der am Telefon bietet, ist der Mechanismus schon reduziert, und einen, der nur eine briefliche Offerte abgibt, erwischt man überhaupt nicht bei seinen Trieben. Es ist ja sehr klug und selbstbeherrscht, wenn man so vorgeht und sich auf Offerten beschränkt. Ich zum Beispiel bringe das nicht über mich. Doch immerhin bringt der Erwerb mit Bietergefecht und persönlicher Präsenz dann auch ein bedeutendes Lustgefühl mit sich. Man geht hinaus und denkt in diesem Moment überhaupt nicht über das Geld nach. Was man hat, ist folgendes: Man hat jemanden, erster Triumph, niedergeboten, man hat, zweiter Triumph, das Gefühl, günstig gekauft zu haben, denn man glaubt, der klassische Selbstbetrug, durchschaut zu haben, wieviel das Ding wirklich wert ist, nämlich, so redet man sich ein, bedeutend mehr. Und man hat, dritter Triumph, bekommen, wovon man überzeugt ist, dass es einem sowieso gehört. Man wird insgesamt in einer Vielzahl von Trieben befriedigt und überdies läßt sich das, was man soeben absolviert hat, auch noch intellektuell überhöhen.
Nun ist das Ganze ja sehr Situationsabhängig. Gibt es nach Ihrer Erfahrung so etwas wie eine Taktik, ein spezielles Verfahren der Chancenmaximierung?
Beobachtet man die großen Sammler der Welt, von denen Herr Leopold sicherlich einer ist, dann sieht man, dass sie es schon sehr richtig machen. Wenn man einen von ihnen im Auktionssaal vorfindet, dann soll man gleich das Gefühl haben, sowieso keine Chance zu besitzen. Sie treten gleich mit der Prätention auf, gegen mich setzt sich keiner durch, ich bin es, der das Bild letzten Endes bekommt, und am besten ist es, die anderen fangen überhaupt nicht an mitzubieten. Alle Signale werden ausgesendet, es wäre am besten, sich mit diesen Großsammlern überhaupt nicht in Konkurrenz zu begeben. So wäre dann gewissermaßen allen geholfen: Der Großsammler bekommt das Objekt billiger, und der kleinere Konkurrent wird von einer Niederlage verschont. Dieses Legen-Sie-sich-mit-mir-gleich-gar-nicht-an ist eine Taktik, die oftmals sehr gut aufgeht.
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