Susanne Jäger,
where do we go from here? : Melancholische Kindheitserinnerungen mit streunendem Hund
Vielleicht werden wir nach der Maturafeier betrunken ein Reh überfahren (Video Philipp Fleischmann). Möglicherweise werden wir unter dem Künstlernamen „La Nazi” Show-Wrestlerin (Plakatarbeit Nina Höchtl). Oder wir bleiben, wo wir sind und deflorieren uns selbst (Textilcollage Nilbar Güreş).
„Where do we go from here?” fragt nämlich die aktuelle Ausstellung junger KünstlerInnen in der Secession, die derartige „Start Up-Shows” seit 1984 in unregelmäßigen Abständen zusammenstellt. Der Titel, der sich auf eine Publikation von Martin Luther King aus dem Jahr 1967, zu einem Zeitpunkt der Neuorientierung der Bürgerrechtsbewegung, bezieht, umfasst theoretisch (nicht nur) für KünstlerInnen relevante Themenstellungen. Einerseits wird die Frage nach deren Arbeitsbedingungen – Ausstellungsmöglichkeiten, Stipendien, usw. – und dem damit einhergehenden Druck zur Flexibilität aufgeworfen. Auf der anderen Seite unterstellt der Titel der von Elisabeth Bettina Spörr kuratierten Schau ein kollektives „Wir” innerhalb der Künstlerschaft, die im Sinne einer solidarischen Gemeinschaft aber nur sehr eingeschränkt existiert: Der momentane Hype an Künstlergalerien und Künstlerkollektiven verdankt sich in erster Linie wohl der Einsicht, dass Aufmerksamkeit schneller durch temporäre Zusammenschlüsse erzielbar ist. Umso erstaunlicher, dass diese Themen in der Ausstellung selbst kaum reflektiert werden.
Auch in Bezug auf gesamtgesellschaftliche Fragestellungen fällt bei den gezeigten Arbeiten – in auffälligem Gegensatz zum Leitmotiv – vor allem die Absenz von politischem Kampfgeist auf. Nur wenige KünstlerInnen, etwa Marissa Lobo mit einer eindrücklichen Installation über Kolonialismus am Beispiel einer Sklavin, die mit einem eisernen Knebel mundtot gemacht wurde, beschäftigen sich mit emanzipatorischen Themen. Ansonsten überwiegen in den Arbeiten der vielen Beteiligten aus den exkommunistischen Ländern softe Kindheitsreminiszenzen in einer untergegangenen Ideologie: Melancholie verströmt Ciprian Mureşans Kamerafahrt durch eine aufgelassene Fabrik mit streunendem Hund, ebenso Jaro Vargas Found Footage-Film seiner slowakischen Grundschule und Olivia Mihaltianus Raucherkammerl im Ceauşescu-Chic. Gergely László spürt dem mittlerweile aufgelassenen Kibbuz von Verwandten nach, Katarina Šević hat dazu ein tragbares Stoff-„Monument für die Rote Armee” kreiert. Hochelegant die reduzierten Collagen von Ekaterina Shapiro-Obermair über emigrierte Russlanddeutsche, die auf hohem ästhetischem Niveau vom Scheitern der realsozialistischen Utopie Zeugnis ablegen.
Die lässig-souveräne Foto-, Dia- und Videoinstallation von Adrien Tirtiaux mit Landschaftsidyll im Kellereck kann als Essenz der Ausstellung verstanden werden: Vielleicht werden wir doch erst einmal am sanft fließenden Fluss mit weißem Kubus ein bisschen ausspannen.
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where do we go from here?
02.07 - 29.08.2010
Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h
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Ihre Meinung
1 Posting in diesem Forumwarum..
sozialmanierist | 05.08.2010 10:15 | antworten
...kann kein/e kritiker/in auch mal dazusagen,
dass es sich bei dieser ausstellung um eine
der wohl schlechtesten seit langem handelt?
das beginnt schon bei einem wackligen konzept
(sodenn es eines gibt), einem chaotischen neben-
einander (offensichtlich eine kuratorin
der es an kompetenz mangelt) und einer etwas
belanglosen künstlerInnenauswahl...wollte
man hier der kunsthalle-leistungsschau
(die ebenso grottenschlecht war) beikommen um etwas
"political correctness" zu verbreiten, dann
ist dies m.mg. nach mißlungen. da ist wien
von einem internationalen nivau weit entfernt würde
ich meinen...
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