Massimo Vitali - A touch of summer: „I want it as complex as possible“

Ich weiß noch, wie überrascht ich über die ästhetische Wirkung, eines dicht mit bis zu hunderten halbnackten (Fett-)bäuchen überfüllten Sandstrandes war, als ich zum ersten Mal eine Photographie von Massimo Vitali gesehen hatte, - schließlich gibt es (für mich zumindest) kaum etwas Ekelhafteres. Seit 15 Jahren macht er nun diese riesigen, detailreichen Freizeit-Gesellschafts-Landschafts- Aufnahmen am Meer, oder auch an einem Gebirgssee und Flussufer, die oft aus mehreren Bildern, zu Diptychen oder Triptychen zusammengesetzt sind. Es sind 20 x 25 cm und 28 x 25 cm große Farbnegative, verrät Vitali sein Geheimnis, die zu Großformaten ausgearbeitet, gestochen scharfe Details wiedergeben. Und so viele seiner Fotos, wie hier in der Ausstellung in Ernst Hilgers BrotKunsthalle, habe er selbst noch nie zuvor in einer Ausstellung versammelt gesehen. Der Betrachter nimmt dabei die Stelle des entrückten Kamera-Auges ein und wird zum objektiven Beobachter eines sozio-kuturellen Phänomens. Letztlich ist die Distanz aber so groß, dass das dokumentarische sich dem ästhetischen Prinzip völlig unterordnet, und trotz aller Genauigkeit dieser Abbildung der Wirklichkeit paradoxerweise das Gegenständliche in eine Art von Abstraktion geführt wird: Die Menschen mit ihren Sonnenschirmen, aufblasbaren Bade-Utensilien und Sportartikeln werden zu Farbflecken auf einer blass-blauen, beigen oder grünen Fläche und ihre zufällige Verteilung - das selbstorganisierte Chaos - wird zum kompositorischen Element. So gesehen sind Massimo Vitalis Bilder eine Fortsetzung von Georges Seurats „Bad in Asnières“ (1884) und „Sonntag Nachmittag auf der Ile de la Grande Jatte“ (1886) mit anderen Mitteln. ... eigenartig, wie die Kunst den Beginn der Mode, des öffentlichen Badens festgehalten hat, und nun - nach den Katastrophen der letzten Wochen - fast schon ihr drohendes Ende. Nein ölverschmutzte Sandstrände, wären kein Thema für ihn, meint Vitali. Da wären nicht so viele Leute, die saubermachen, dass es ein gutes Foto ergeben würde.

Mehr Texte von Renate Quehenberger

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!

Massimo Vitali - A touch of summer
24.06 - 28.08.2010

HilgerBROTKunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Tel: +43 1 512 5315 220, Fax: +43 1 603 0639
Email: brot@brotkunsthalle.com
http://www.brotkunsthalle.com
Öffnungszeiten: Di-Sa: 12-18h

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum