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Feminine Fifties

Aus Anlass der Präsentation im Wiener „Wagner:Werk Museum Postsparkasse“ über die Fünfziger Jahre aus der Sicht der Frau: Ein paar Bemerkungen, vor allem auch dazu, dass die Fifties das Feminine im Verbund mit dem Juvenilen wahrnahmen. Im Fokus stand also nicht nur die Frau, sondern die junge Frau, die Tabula Rasa aller Werbewirtschaft, das nunmehr abgesteckte Bezugsfeld für die Dinge und ihre Neuheit. Viele der Veränderungen vollziehen sich im Detail. Gerade bei der Produktgestaltung, jenem Branding, dem die Pop Art bald gesteigerte Aufmerksamkeit zukommen lässt, wird greifbar, wie das Prinzip Jugend nun gewissermaßen überhand nimmt. Allerweltsdinge wie ein Kakaogetränk, wie ein Shampoo oder wie ein Scheuermittel bekommen im Übergang von den Fünfzigern zu den Sechzigern ein neues Design und vor allem eine neue Schrift verpasst: Statt in Groß- gibt es den Namen des Produkts nun in Kleinbuchstaben, und der Wechsel von der Majuskel zur Minuskel entspricht nichts anderem als jener Perspektive aufs Komprimiert-Kleinformatige, deren Beliebtheit dann auch im Mini-Rock und im Mini-Auto zum Tragen kommt. Bezeichnend auch der futuristische Appeal neuer Produktnamen: Waschmittel heißen jetzt zum Beispiel „Dash“, sie versprechen Rasanz und nehmen für sich die Unwiderstehlichkeit des „Hoppla, jetzt komm ich“ in Anspruch. Eine Dekade später, in den späteren Sechzigern mit ihrer Versponnenheit und ihrer Esoterik, lassen sich die Namensgebungen dann auf die Mythologie ein, und es treten Produkte auf den Plan, die man etwa „Ariel“ getauft hat. Die Swinging Sixties beginnen ohnedies mit den Feminine Fifties. Vor allem in London. Mary Quant, die Mutter des Minirocks, eröffnet ihre erste Boutique, „Bazaar“ mit Namen, im Jahr 1955 an der King’s Road in Chelsea. Terence Conran, der später die modische Gesellschaft in seinem „Habitat“-Laden, ebenfalls in der King’s Road beheimatet, mit Designer-Möbeln versorgen wird, fängt im Jahr 1953 mit einem Restaurant am Trafalgar Square an. 1957 wird er dann Mary Quants zweites Geschäft, in Kensington lokalisiert, ausstatten. Vidal Sassoon wiederum, der Erfinder jener pflegeleichten, an die Kopfform perfekt angepassten Frisuren, in denen sich das Weltraumzeitalter widerspiegelt, beginnt im Jahr 1954 eine eigene Existenz in der Bond Street. Und so ziehen die neuen Qualitäten und ihre Formen hinein in die Gründungsschrift der Pop Art. Richard Hamilton, ihr Pionier, fasst sie 1957 in einem Brief an das Architektenpaar Alison und Peter Smithson zusammen. Pop Art, sagt Hamilton, hat folgende Charakteristika: „popular, transient, expendable, low cost, mass produced, young, witty, sexy, gimmicky, glamorous, big business“. Im Lauf der Aufzählung werden die Begriffe immer stimmungshafter, vom Deskriptiven wie „populär“ oder „mit geringen Kosten“ ausgehend werden mehr und mehr Wohlfühlqualitäten aufgerufen: Wer wollte nicht witzig sein, fintenreich oder gar glamourös? Und vor allem sexy. Peter Blake, On the Balcony, 1955-7, © VBK, Wien 2010 „Auf dem Balkon“ heißt ein Gemälde, in dem sich Hamiltons junger Mitstreiter Peter Blake seinen Reim auf das neue Phänomen macht. 1955 bis 1957 entstanden, auf die Leinwand gebracht von einem, der noch keine 25 Jahre alt ist, lässt das Werk Revue passieren, was die Jugend des damaligen Heute beseelte: Einer hockt mit Sonnenbrille und Stirntolle da, als wäre er Elvis, ein anderer trägt Schuluniform, ganz gesittet ebenfalls ein Mädchen mit Kleid und Hemdkragen, und ein vierter hat statt seinem Kopf eine Ausgabe von „Life“ auf dem Hals sitzen. Illustrierte, Magazine, Bilder, Wimpel bevölkern die Oberfläche, als wäre sie eine Collage, Buttons stecken den jungen Leuten am Revers, und es gibt Flaschen, Packungen, Behältnisse mit deutlich lesbaren Etiketten. Diese Teenager leben in der Warenwelt, sagt Blake. Sein Porträt dieses gut situierten Alltags jedoch lebt in der Kunstgeschichte. Also zitiert sein Werk im Titel, aber auch in der einmontierten Abbildung Edouard Manet und dessen Schlüsselbild „Balkon“, wird die königliche Familie Großbritanniens gezeigt, wie sie sich ihrerseits von der Altane herab um Leutseligkeit bemüht, und gibt es diverse weitere Anspielungen auf die Hochkultur. Auf eine Hochkultur, der sich Blake selbst zugehörig zeigt und deren man bedarf, um sein Kunststück zu verstehen. Vor dem Bild hat man sich jedenfalls ein anderes Publikum vorzustellen als im Bild. Dass die Kunst sich an die Jugend, und gar an die weibliche, adressierte, wird dann doch noch ein wenig dauern.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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