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Süddeutsche Unternehmer als Museumsgründer in der Provinz

Die Donau kennt man als einen breiten, langen Strom. Seit Jahrtausenden dient sie schon als europäische Hauptverkehrsader. Doch wie das mit Flüssen so ist: Sie nehmen meist irgendwo einen ganz bescheidenen Anfang. Bei der Donau beispielsweise liegt der Ursprung in Donaueschingen, einem kleinen, hübschen Städtchen im äußersten Südwesten von Deutschland. Seine Hand auf der Quelle hatte Jahrhunderte lang der dort residierende Fürst von Fürstenberg. Doch nun wurde er abgelöst: Von einer zeitgenössischen Kunstsammlung namens Biedermann. Das im September 2009 eröffnete Museum Biedermann befindet sich tatsächlich auf Spuckentfernung zum Donauquell. Einquartiert hat es sich in einem adaptierten klassizistischen Gebäude samt elegantem modernem Anbau, direkt gelegen neben einem großen Park. Die symbolische Quell-Emanzipation weg vom protzigen „Fürst von Fürstenberg“ hin zum schlichten „Biedermann“ ist nun einerseits amüsant, die Geschichte bietet, passend zum Rahmen dieser Kolumne, aber auch noch Symptomatisches: Die Sammlung Biedermann gehört nämlich einer mittelständischen Unternehmerfamilie. Sie reiht sich damit in eine dichte Kette ähnlich fundierter Sammlungen, die sich über den Schwarzwald (Frieder Burda, Siedle, Grässlin u.a.) bis nach Schwaben (Sammlung Froehlich, Würth, Weishaupt, Schaufler, FER Collection u.a.) zieht. Die Firma Biedermann entwickelt beispielsweise Spezialschrauben für chirurgische Einsätze, Weishaupt produziert Heizungstechnik, Grässlin Zeitschaltuhren, Schaufler Kühlmaschinen, die Firma Rentschler, aus der die FER-Collection erwuchs, ist in der Biotechnologie zuhause, die Sammlung Froehlich kommt gleichsam aus dem Maschinenbau, die Sammlung Burda aus dem Verlagsbereich. Und so wie die Sammlung Biedermann haben auch die meisten anderen Sammlungen für sich mittlerweile eigene Museen etabliert, zum Teil mit großem Aufwand, aber immer in relativen Provinzstädten: Burda in Baden-Baden, Grässlin in St. Georgen, Weishaupt und Rentschler in Ulm, Schaufler in Sindelfingen, Würth in Schwäbisch Hall. In den 1980er Jahren dachte man noch, solchen Privatsammlungen eine gemeinsame, zentrale Heimstatt im Karlsruher Großkomplex „Zentrum für Kunst und Medientechnologie – ZKM“ geben zu können. Das dortige „Museum für Neue Kunst“ wurde vom Bundesland Baden-Württemberg extra dafür gegründet und mit einem jährlichen Millionen-Budget bedacht. Aber einen großen Sammelcontainer, in dem alles miteinander vermengt wird, wollten die meisten Sammler dann doch nicht, viele zogen wieder aus. Gott sei Dank, möchte man sagen: Die nun in entlegenen Tälern und kleinen Städten verstreuten Spezialmuseen sind ein großer Gewinn. In ihnen ist Kunst mitunter auf eine ungewöhnlich berührende, intime Weise zu erleben. Nehmen wir zum Beispiel St. Georgen, eine kleine Manufakturstadt im Hochschwarzwald. Die dortige Sammlung Grässlin bespielt neben dem eigenen kleinen Museumsbau samt Restaurant noch rund zwanzig andere Räume der Gemeinde. Das reicht vom Sitzungssaal des Rathauses, über leer stehende Geschäftslokale und Fabriketagen, von Privatwohnungen, die zu besuchen sind wie einst bei „chambres d’amis“ in Gent, bis hin zu zum alten Heimatmuseum. Jeder Besucher wird auf der Tour von jemand begleitet, der die Wege und viele Geschichten kennt und vor allem die Schlüssel dabei hat. Es ist ein erhellendes Erlebnis, all die Werke von Clegg & Guttmann, Albert Oehlen, Meuser, Werner Büttner, Cosima von Bonin, Reinhard Mucha oder Martin Kippenberger in solch „ursächlichen“ Umgebungen zu sehen! Und um jetzt weit donauabwärts zu springen, dorthin wo der Strom längst breit dahin fließt und die Kunstsammler eher Ärzte oder Juristen von Beruf sind: Auch die designierte Leiterin des Wiener MUMOK, Karola Kraus, stammt aus der Unternehmer- und Sammlerfamilie Grässlin. Wenn sie in Wien mit ähnlich gelungenen Vermittlungsformaten reüssiert, dürfte man sich schon freuen.
Mehr Texte von Vitus Weh

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